Buch


Der letzte Schrei

Der letzte Schrei

Yonatan Sagiv

 

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Übersicht


Verlag : Kein & Aber
Sprache : Deutsch
Erschienen : 12. 04. 2022
Seiten : 400
Einband : Gebunden
Höhe : 185 mm
Breite : 116 mm
ISBN : 9783036958651

Du und »Der letzte Schrei«




Enthaltene Werke


Autor    Text    Übersetzung   
Yonatan Sagiv    Der letzte Schrei    Markus Lemke      


Stichworte aus dem enthaltenen Werk


Thema : Popstar, Homosexualität, Liebe, Queere Literatur, Mord, Verschwinden
Ort : Tel Aviv
Genre : Krimi


Autorinformation


Yonatan Sagiv, geboren 1979, ist Autor mehrerer Romane und Wissenschaftler für moderne hebräische Literatur. "Der letzte Schrei" ist sein erstes Buch, das auf Deutsch erscheint. Yonatan Sagiv lebt und arbeitet in Tel Aviv und in London.
Markus Lemke übersetzt aus dem Hebräischen und Arabischen und hat u. a. Autoren wie Dror Mishani, Abraham B. Yehoshua, Noa Yedlin und Eshkol Nevo ins Deutsche übertragen. 2021 wurde Lemke mit dem Deutsch-Hebräischen Übersetzerpreis ausgezeichnet. 

Pressestimmen


»Ein wilder Kriminalroman, witzig und ungehemmt, mit fließenden Geschlechteridentitäten und scharfsinniger Prosa.«»Stan Kraychik und Mr. Love haben mit Yonatan Sagivs Ermittler einen queeren Großneffen bekommen, der sie glatt an die Wand spielt.« Maria Leitner, Buchkultur, April 2022»Ein spannender queerer Krimi, der mit den klassischen Codes des Genres spielt.«

»Dieser Krimi ist anders. Die Story wird aus einer queeren Perspektive erzählt und revolutioniert damit das Genre.«

»Dank seines bissigen Erzählstils, verpackt in eine leichte Sprache, ist der zeitgemäße Krimi die perfekte Strandlektüre.«
Renzo Wellinger, Glamour, 30.06.2022»Sagivs erfolgreicher Kriminalroman um den schwulen Detektiv Oded Hefer porträtiert die zeitgenössische israelische Kultur als ein pluralistisches und glamouröses Fest.«
queer.de, 13.07.2022»Wenn Sie schon zu viele Krimis gelesen haben, lesen Sie trotzdem «Der letzte Schrei». Dieses Buch ist ein Genre-Chamäleon. Witzig, divers und mit der richtigen Portion Lokalkolorit debütiert der israelische Autor Yonatan Sagiv auf Deutsch.«
Nora Zukker, Basler Zeitung & Tages-Anzeiger, 15. Juli 2022»Ein Roman, der ebenso düster wie witzig ist und dabei mit den Codes des klassischen Krimi-Genres spielt.«»Sein Ermittler Oded Chefer gilt inzwischen nicht mehr als schrille Ausnahmeerscheinung, sondern spätestens seit diesem Roman als ein neuer Charakter der israelischen Gegenwartsliteratur.«
Carsten Hueck, SWR 2 lesenswert, 14.08.2022

Leseprobe


1BALD WERDEN ALLE FÜR DICH MORDENDas Auto kommt auf dem für Motorräder und Roller vorbehaltenen Parkplatz zum Stehen. Qualm aus dem Auspuff verschleiert die Sicht auf das weiße Landgut im Rückspiegel. Die Blitzlichter der Paparazzi erhellen den Abendhimmel und frieren die vorfahrenden Luxuskarossen in einzelne Schnappschüsse ein. Schöne, lachende Menschen ergießen sich über das Anwesen, wo sich eine Zypressenreihe im kalten Wind wiegt und deren Spitzen hoch aufragen wie ein Trupp Schildwachen, die eine Burg umstehen.Im Wagen schnarrt das Telefon. Oberinspektor Yaron Malka möchte, dass ich ihn zurückrufe. Ofer Ganor fragt an, ob mit dem Umzug alles gut gegangen sei. Ich schalte das Handy aus und werfe die Autotür zu. Mein Fohlen stößt protestierend ein letztes Qualmwölkchen aus.Weg mit dem Alten, auf zu Neuem. Zeit für moi, Zeit aufzugehen wie ein Stern.»Name?« Der Sicherheitsmann am Eingang stoppt mich mit imposantem Body und ausdrucksloser Miene. »Oded Chefer.«Er nickt. Ich erzittere. Der Klang seines rauen Baritons. Die breiten Schultern. Die von dem schwarzen Anzug nur mit Mühe gezügelte primitive Wildheit. Ein Astralkörper, Nachfahre eines Geschlechts potenzstrotzender slawischer Krieger, die auf ihren Schlachtrössern vollbusige, fröhlich lachende Jungfrauen vor sich sitzen haben.»Und wie ist dein Name, wenn man fragen darf?«, höre ich mein eigenes Stimmchen plappern. »Stas.« Die Augen des Wachmannes scannen die Namensliste auf dem Klemmbrett, das in seinen Pranken wie ein Spielzeug aussieht.»Stas.« Ich reibe die Hände wie eine Gastgeberin, die auf dem von ihr organisierten Wohltätigkeitsball einen ihrer potentiellen Großspender trifft. »Was für ein bezaubernder Name. Und woher stammst du, Stas?«»Aus Netanja.«»Natürlich, Stas, natürlich«, sage ich einfältig kichernd, flirtend. »Aber ich meinte ursprünglich.« »Aus Netanja.«Ich bin ein bisschen perplex ob der nichtexotischen Antwort. Stas schlägt eine Seite auf seinem Klemmbrett um. Sein Blick wandert die Liste hinab. Mein Herz beginnt, heftiger zu schlagen. Vielleicht wegen des gerade erfolgten diplomatischen Zwischenfalls, der Stas davon abhalten wird, mich besser kennenzulernen, vielleicht aber auch bloß aus Sorge, mein Name könnte am Ende nicht auf der Liste auftauchen. Stas blättert erneut, noch eine Seite ist perdu. Meine Haut brennt, mein Rücken schwitzt. Ich stopfe das schwarze Anzughemd von Zara in die schwarze Hose von Zara und richte die schwarze Krawatte von Zara. Möglicherweise hilft das, mir Zutritt zu verschaffen. Oder wenigstens mein erschrecken- des Bäuchlein vor Stas’ wachsamen Augen zu verbergen. Eine weitere Seite wird vor meinem Gesicht umgeschlagen. Ich will hier kein Drama draus machen, aber so haben sie sich bestimmt bei der Selektion auf der Rampe gefühlt.Stas ist bei der letzten Seite der Liste angelangt und hebt den Kopf. Ich schrecke zurück. Dieser Gladiatorenkörper. Und das Gesicht? Verkniffen wie das einer Marketenderin, die um ihre Ware feilscht. Der schöne Mann betrachtet mein Gesicht. Kalt. Grausam. Die hochmütigen, blauen Augen eines kaukasischen Kosaken, der nur plündern, sich den Bauch vollschlagen und alles rammeln will, was ihm in die Que-»Du kannst rein.« Stas öffnet das Tor.»Vielen Dank dir, Stas«, antworte ich und erröte, als mir aufgeht, dass ich mich gerade verbeugt habe.»Einen schönen Abend noch.«»Dir auch, Stas«, hechle ich wie ein Pekinese, der seinem Herrchen am Bein hochspringt. »Und falls du Durst haben solltest, sag Bescheid, ich besorge dir wirklich gerne einen Drink von der Bar –«»Name?« Stas hat sich von mir ab- und dem Paar hinter mir zugewandt. Sein muskelbepackter Nacken ragt wie eine Befestigungsmauer vor mir auf. Der Name mag aus Europa stammen, aber die Manieren sind zweifellos aus Netanja.Ich drehe ihm den Rücken zu. Das war ganz und gar nicht der Auftakt, den ich mir für einen solch rauschenden Abend erhofft hatte, aber wie unsere Weisen so schön sagen: aus einer tiefen Grube auf ein hohes Dach. Es bleiben noch fünfzig Minuten bis zum Treffen um halb sieben mit meinem sehr neuen und sehr wichtigen Klienten, und bei allem Respekt für Herrn Stas – ich bin aus rein beruflichen Gründen hier und habe nicht das geringste Verlangen, einen Gorilla zu bezirzen, den nur sein eigenes Spiegelbild interessiert.Die Fassade des Landsitzes erhebt sich über der illustren Menge, die mich mitzieht und über einen Kiesweg um das schneeweiße Hauptgebäude leitet. Die Fenster geben hölzerne Emporen und nackte Betonwände im Innern preis. Eiserne Treppen scheinen ohne Verankerung im Raum zu schweben, ihre Pfeiler klettern in lichtdurchflutete Höhen zu einem unsichtbaren Ziel. Wir erreichen den Garten hinter dem Haus. Kellner mit Tabletts voller Champagnergläser bahnen sich ihren Weg durch Menschenmengen. Obstbäume und vergoldete Buddhastatuen umstehen Fischteiche, Sonnenschirme wiegen sich im kühlen Abendwind zu Bossa-Nova-Klängen. Die Luft des herbstlichen Abends vermischt sich mit dem prickelnden Geruch von Kiefern, Parfum, Alkohol und Geld.Am Ende des Wegs bleibe ich stehen und nehme mir eins der langstieligen Gläser. Ich sondiere den Garten, registriere die Politiker und Schauspielerinnen, die Fußballer und Models, die Bankiers und Lobbyistinnen, die Sterneköche, Richter, Sängerinnen, die Realityshowstars, Dschungelcamper, die großen Brüder und Werwird-Millionär-Gewinnerinnen, die Gesellschaftsreporter und Nachrichtensprecherinnen – alle beschnuppern sie einander das Hinterteil. Ein Schauder läuft mir den Rücken hinab. Normalerweise würde ich wirklich nicht über diese dargebotene Fleur de Fleurs aus dem Häuschen geraten wie eine Societyreporterin in einer billigen Morgen-Show, aber das hier ist ein besonders besonderes Ereignis für die Privatdetektei Oded Chefer GmbH. Meine Wenigkeit ist keine Fliege mehr, die außen an der Windschutzscheibe klebt. Von jetzt an bin auch ich ein vergnügt summendes Bienchen, das sich am Nektar labt, den dieses wundervolle Leben zu bieten hat. Von jetzt an bin auch ich Teil der Crème de la Crème der israelischen Gesellschaft, gehöre zum Hodensack des Staates Israel, zum innersten Zir-»Verzeihung, bringen Sie mir noch einen Aperol Spritz?«Eine blasierte Stimme unterbricht meine Gedanken. Verstört drehe ich mich zur älteren Frau mit riesiger Sonnenbrille und Michael-Jackson-Nase um, die ein leeres Glas vor meinem Gesicht schwenkt.»Ich … verzeihen Sie mir, aber ich bin kein …«, stottere ich.»Ich habe nichts mehr zu trinken.« Die Frau deutet auf ihr Glas. »Also noch einen Aperol Spritz, ja?«Ich spritz dir den Aperol gleich ins Gesicht, Schätzchen, will ich sagen, erkläre aber stattdessen Ihrer Betuchtheit höflich, dass ich mitnichten zum Personal gehöre, sondern ein geladener Gast sei. Genau wie sie auch.»Und warum sind Sie dann angezogen wie ein Kellner?«»Verzeihung, Verehrteste?« Nur mit Mühe wahre ich Contenance.»Sie sehen aus wie ein Kellner.« Die Dame weist in Richtung Bar, um die sich Kellner in schwarzen Hosen, schwarzen Anzughemden und schwarzen Krawatten drängen. Ich lasse den Blick zu den Gästen auf der Rasenfläche wandern. Die Männer tragen Khakihosen und lange Leinenhemden, die Frauen bunte Kleidchen und bedacht nachlässig übergeworfene Stolen. Hier und da sind sportliche Jeansjacken, teure Markensweatshirts und hohe Sneaker zu sehen. Meine Wangen entflammen. Warum hat niemand sich die Mühe gemacht, mich per E-Mail über den sportlichen casual Dresscode von heute Abend in Kenntnis zu setzen? Ich wende mich der alten Schachtel zu, die soeben meine Welt in ihre beschämten Einzelteile zerlegt hat, doch sie wedelt mit ihrem leeren Glas bereits einem anderen Kellner vor der Nase herum. Einer solchen Schreckschraube bin ich schon lange nicht mehr begegnet.Ich widme mich wieder dem fidelen Treiben auf der Rasenfläche und bemühe mich um eine gleichmütige Miene. Wenn du im stinkreichen Savyon bist, verhalte dich auch wie eine Savyonerin. Eine Verwechselung. Diese Schrulle hat ganz klar den grauen Star.»Sie hat recht, Wühlmäuschen. Du siehst wirklich wie ein Kellner aus.« Eine näselnde Stimme schreckt mich auf. »Immerhin sehe ich nicht aus wie die Hofnärrin von Donatella Versace, Süße«, schnaube ich, während ich nach der bekannten Stimme Ausschau halte.Meine Lippen plustern sich demonstrativ auf, als ich die Person mustere, die nun vor mir steht in einem roten, hautengen Fransenkleid, das jeden Moment ihre Rippen zerquetschen könnte. Gabriela nennt sie sich. Diese Frau, die sich auf ihren übertrieben hohen Absätzen zu stattlichen 1,87 Meter aufschwingt und sich erlaubt, mich anzusprechen, als wären wir Busenfreundinnen. Und das nur, weil wir vor Menschengedenken mal eine zugedröhnte Nacht miteinander erlebt haben. Ich werfe einen schnellen Blick in alle Richtungen, um sicherzugehen, dass uns keiner der oberen Zehntausend beobachtet. Denn das Letzte, was ich jetzt brauche, ist eine arme Schabracke, die mir bei dem herbeigesehnten Event den guten Ruf versaut.»Und was treibst du hier so, Lolly?« Gabriela zieht mir zu Ehren ihre aufgemalten Brauen in die Höhe. »Bist du durch die Hintertür rein, als der Koloss am Eingang für kleine Jungs musste?«»Zu deiner Information, Gabriela«, antworte ich mit der Beherrschtheit einer Aufseherin in einem frommen Mädcheninternat, »ich bin durch die Vordertür rein mit einer offiziellen Einladung von Binyamin Direktor höchstpersönlich. Und was machst du hier?«»Was ist daran nicht klar, Lolly? Ich bin hier, um meine internationale Karriere vom Stapel zu lassen.«»Du weißt schon, Gabriela, dass diese Bezeichnung nur auf Englisch existiert, ja? Dein ständiges Lolly-Schmolly?«»Och, Lolly-Lolly, du Lulatsch«, näselt Gabriela mitleidig in meine Richtung. »Offenbar hast du noch nicht kapiert, dass ein echter Star sich seine eigene Sprache ausdenkt, Schätzchen.«»Oh, bitte verzeih mir, Gabriela«, ich gebe die Indignierte. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich mit Doktor Ludwik Lejzer Zamenhof persönlich spreche.«»Ich weiß ja nicht, was du so mit Zamenhof treibst, Wühlmäuschen, aber ich, meine Schöne, bin wenigstens keine abgewrackte Tunte Modell 2007, die sich für jeden Strich gerade macht.« Dieses impertinente Weibsstück deutet mit einem blutroten Fingernagel auf mich. »Nein, nein, nein, Seelchen. Ich bin diejenige, die den Strich vorgibt. Guck dir mal all diese Celebs hier an. Was tun sich die Damen nicht alles an, was? Komplett operiert sind die. Mit Silikon ausgestopft. Aufgebrezelt. Überschminkt. Botoxgeglättet. Bis zum Anschlag voll mit Kollagen von den Lippen bis zum Hintern. Und willst du wissen, warum? Weil sie dafür morden würden, so auszusehen wie ich. Die betteln um den Killerlook einer freshly freshen Tranny.«»Das also ist dein großer Plan, Gabriela?« Ich versuche, nicht meine allseits bekannte Gelassenheit zu verlieren. »Du bist hier, um aufzutreten? Was ist los? Hat unser Popsternchen Dana International abgesagt?«»Schätzchen, Dana ist ein Icon, Ehre, wem Ehre gebührt, aber die kauft am Ende auch nur bei mir im AM:PM in der Allenby ein wie all die anderen falschen Schlangen in diesem Staat. Ich dagegen habe wirklich große Träume, meine Schöne. Ich rede mit dir über Erfolg in der Größenordnung von Ofra Haza. Rede mit dir über Hollywood next level shit. Über Calvin Harris featuring Gabriela.«Gabrielas schwerer Akzent rückt Amerika in noch weitere Ferne als die Sterne, die über uns am zusehends dunkler werdenden Himmel leuchten. Die Weibsperson steckt sich eine Zigarette an. Ihr mit bordeauxfarbenem Lippenstift eingeschmierter Mund gibt nicht für eine Sekunde Ruhe: Ein Wort jagt das nächste, ein Traum den anderen. Los Angeles, ein Plattenvertrag bei Universal, Business-Class-Flüge, Konzerte in riesigen Stadien, Swimmingpools, Hotelsuiten, Diamantanhänger, Haute Couture-Roben auf dem roten Teppich, Goldstatuen im Regal, ein Rolls-Royce, der in den Sonnenuntergang gleitet.

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