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Adeliges Familienleben, weibliche Schreibpraxis

Adeliges Familienleben, weibliche Schreibpraxis

-Die Tagebücher der Maria Esterházy-Galántha (1809-1861)-

Sheila Patel

 

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Übersicht


Verlag : Campus Verlag
Buchreihe : Geschichte und Geschlechter (Bd. 66)
Sprache : Deutsch
Erschienen : 02. 04. 2015
Seiten : 438
Einband : Kartoniert
Höhe : 213 mm
Breite : 140 mm
ISBN : 9783593502885
Illustrationen : 5 Abbildungen

Du und »Adeliges Familienleben, weibliche Schreibpraxis«




Autorinformation


Sheila Patel studierte Geschichte und Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum.

Produktinformation


Von Liebeskummer über Hofzeremonien bis hin zu konkurrierenden Loyalitäten in Zeiten von Revolutionen – die hochadelige Gräfin Maria Esterházy-Galántha, geborene Plettenberg-Mietingen (1809 – 1861), schrieb von ihren Jugendtagen bis kurz vor ihrem Tod Tagebücher. Anhand dieser Quellen schildert Sheila Patel das Leben der Gräfin sowie deren Wahrnehmung von sich selbst und ihrer Zeit.
Sie zeigt, dass der Zugang über Schreibpraxis und Schreibstrategien sowie das Lesen der Tagebücher neue Einblicke in das Erleben und Empfinden einer adeligen Frau im 19. Jahrhundert gewinnen lässt.

Inhaltsverzeichnis


Inhalt
1. Einleitung: Adelige Schreibpraxis im 19. Jahrhundert 9
1.1 Die Verfasserin der Tagebücher 15
1.2 Die Tagebücher der Gräfin 19
1.3 Vorgehensweise und Methoden 42
2. Ein verschriftlichtes Leben: Beziehungen 53
2.1 Erste Liebesgeschichten 59
2.2 Eheanbahnung und Verlobung 85
2.3 Lieben in der Ehe 103
2.4 Verwandtschaftliche Netzwerke und Freundschaften 111
2.5 Zusammenfassung 123
3. Ein verschriftlichtes Leben: Alltag 127
3.1 Das Dorf Nordkirchen 127
3.2 Herrschaftliche Wohnkultur 143
3.2.1 Schloss Nordkirchen 145
3.2.2 Wohnen 154
3.3 Alltägliche Abläufe und Geselligkeiten 170
3.3.1 Formale Anhaltspunkte:
Mahlzeiten, Messe, Uhrzeiten 171
3.3.2 "In die Welt gehen" 172
3.3.3 Detaillierte Tagesabläufe 191
3.3.4 Feste im Jahres- und Lebenslauf:
Wiederkehrende Einträge 193
3.3.5 Personal 200
3.4 Wiener Hofleben 203
3.5 Reisekultur 214
3.6 Zusammenfassung 221
4. Erziehung zum Erben: Die Beziehung zu den Kindern 225
4.1 Adelige Erziehungspraxis und emotionale Nähe 225
4.2 Die Geburt der Erben 228
4.3 Das Kindertagebuch: Geschriebene Portraits
und mütterliche Gefühlswelten 234
4.4 Adelige Erziehungspraxis im Hause Esterházy 265
4.4.1 Hauserziehung und Hauslehrer 271
4.4.2 Religiöse Erziehung 280
4.4.3 Karrierewege der Söhne 283
4.5 Zusammenfassung 290
5. Schreiben über Politik 293
5.1 Die Jugendtagebücher und die Pariser Julirevolution von 1830 294
5.2 Das Notizenbuch "für allerhand" und die Revolution von 1848/49 301
5.3 Das Notizenbuch "für allerhand" und das Tagebuch der fünfziger Jahre: Nach der Revolution 342
5.4 Zusammenfassung I 355
5.5 Die Tagebücher der fünfziger und sechziger Jahre und der Krimkrieg, der Italienkrieg und der Ungarnkonflikt 357
5.6 Zusammenfassung II 386
5.7 Ausblick: Das Testament als Zukunftsentwurf 388
6. Schlussbetrachtung 391
Anhang 401
Abkürzungsverzeichnis 401
Quellen und Literatur 402
1. Archivalien 402
2. Gedruckte Quellen 404
3. Literatur 405
4. Internet 435
Danksagung 437

Leseprobe


1. Einleitung: Adelige Schreibpraxis im 19. Jahrhundert
1.1.1825. "Des Morgens waren wir in der Kirche es war schönes Wetter aber ein abscheulicher Koth. Zum Essen kamen der Graf Feuerstein, der Baron Schmidt und der Lt. Damaslavsky. Während dem Essen kamen 3 böhmische Musikanten welche sehr hübsch spielten; und nach dem Essen tanzten wir bis es dunkel ward. Dann fuhren die Herrn weg und ich spielte den Abend Parquet und Blindekuh und Karten mit den Kindern."
37 Jahre schrieb die hochadelige Gräfin Maria Esterházy de Galántha-Forchtenstein, geborene von Plettenberg-Mietingen zu Nordkirchen Tagebücher. Darin hielt sie, wie im Neujahrseintrag von 1825, Alltagsabläufe fest, Spaziergänge, Ausritte, Lektüren, Spiele mit den Kindern, aber auch brisante politische Begegnungen und Ereignisse, vor allem am Wiener Hof. Erbstreitigkeiten und Liebeskummer zählten ebenso zu den Themen wie Kindererziehung und Hofzeremonien. Auch war die Gräfin eine gewissenhafte Buchhalterin und Archivarin ihrer Besitztümer, ihrer Möbel, der Ländereien, der Pferde usw.
Die Praxis des Tagebuchschreibens ist für adelige Frauen jener Zeit nichts Ungewöhnliches. Bis ins 17. Jahrhundert lassen sich Selbstzeugnisse dieser Art - die Einblick in den höfischen Alltag und zugleich Auskunft über Vorgänge der Selbstwahrnehmung und Selbstkonstitution des adeligen Ichs bieten - zurückverfolgen. Ungewöhnlich ist hingegen der Umfang der Tagebücher der Gräfin Maria Esterházy und die Breite der dort angesprochenen Themen. Nicht nur dokumentieren die Tagebücher das Leben der Gräfin von Jugend an bis zu ihrem Tod und decken somit einen langen Zeitraum ab, auch führte Maria mehrere Tagebücher parallel und ordnete sie zum Teil nach Themen. Die Tagebücher bieten so erkenntnisreiche Auskünfte über ihre Schreibpraxis und umso erstaunlicher ist es, dass sie in der Forschung bislang kaum beachtet wurden.
Zwar existiert zum Haus Esterházy mit seinen vielen Zweigen breite Forschungsliteratur, vor allem im Hinblick auf dessen Besitztümer sowie höfisches und kulturelles Leben oder dessen politisches Wirken. Auch ist der Stammsitz der Gräfin, Nordkirchen, im Hinblick auf Architektur und Inventar in der Forschung thematisiert worden, und zur Herkunftslinie Plettenberg-Mietingen gibt es vereinzelte Kurzportraits. Die Tagebücher jedoch fanden bislang nur nebensächlich, wie in den Fußnoten von Heinz Reif Erwähnung, und über Maria Esterházy existieren bislang - wie generell zu ihrer direkten Linie, ob nun zur Herkunftslinie oder eingeheirateten Linie, im 19. Jahrhundert - keine Arbeiten.
In dieser Studie werden die Tagebücher der Gräfin Maria Esterházy einer genaueren Betrachtung unterzogen. Dabei geht es vor allem um eine doppelte Perspektive: zum einen um die Rekonstruktion der adeligen Lebenswelt, der alltäglichen Abläufe und Erziehung der Kinder, der verwandtschaftlichen Beziehungsnetze und politischen Netzwerke, zum anderen um die Analyse der adeligen Schreibpraxis, der Schreibmuster und Schreibtradition, die Auskunft geben können über Prozesse der Selbstkonstitution, über die Erfahrungen, die die Verfasserin gemacht hat, über ihre Emotionen, die Vorstellungen von sich, die Beziehungen zu anderen und die jeweilige Zeit - aber auch über alltägliches Leben, Zeit- und Raumwahrnehmung, politische Ereignisse, Machtverhältnisse, Erziehung und vieles mehr. Denn gerade bei Selbstzeugnissen lassen sich "die Menschen in ihren Schreibpraktiken und in ihren autobiographischen Kommunikationsverhalten direkt beobachten: wie sie handeln, wie sie mit ihrer geschriebenen Person eine Ressource erzeugen, welcher Handlungsrepertoires sie sich dabei bedienen können und welche sozialen Räume ihnen dafür zur Verfügung standen." Allerdings bieten sie keinen unmittelbaren Zugang zur Person und ihren Erfahrungen und Erinnerungen. Sie sind vielmehr Interpretationen oder Übersetzungen von Leben und Erfahrung in ihrer physischen und psychischen Form in ein anderes Medium, das von Sprache und Schrift.
Mit der Frage nach der Konstitution des adeligen Selbst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewegt sich die Studie an der Schnittstelle von Adels- und Bürgertumsforschung sowie Genderforschung. Die Adelsforschung hat für lange Zeit ihre bisherigen Schwerpunkte auf die Bereiche gesetzt, in denen Frauen so gut wie ausgeschlossen waren: Politik, Besitz und Vermögen sowie Verwaltung und Militär. Mittlerweile gibt es jedoch eine Reihe von Aufsätzen und Studien, die sich mit adeligen Frauen des 19. Jahrhunderts beschäftigen. So hat Heide Wunder adelige Frauen für die Frühe Neuzeit und das 18. Jahrhundert untersucht, deren Ergebnisse auch auf das 19. Jahrhundert ausstrahlen. Auch die Frauen- und Geschlechtergeschichte bezieht adelige Frauen für das 19. Jahrhundert mittlerweile mehr und mehr ein. Vor allem die Frühe Neuzeit hat gezeigt, wie fruchtbar es sein kann, wenn man die Kategorie "Geschlecht" relational zu "Familie" und "Stand" betrachtet.
Für die vorliegende Arbeit waren folgende Studien besonders wichtig: Christa Diemels Studie, die viele Erkenntnisse zum Hofleben adeliger Frauen bietet, die als Grundlage für diese Analyse gedient haben. Der Vergleich mit Diemels Ergebnissen ermöglicht die Einordnung von Maria Esterházy innerhalb der höfischen Welt. Diemel konzentrierte sich auf den Zeitraum 1800 bis 1870, sie untersuchte die verschiedenen Rollen der Frau als Stifts-, Salon- und Hofdame und versuchte, die Koexistenz des bürgerlich geprägten Frauenbildes neben des Ideals der Guts- und Hofdame zu zeigen.
Ähnlich verhält es sich mit der Studie von Heinz Reif über den westfälischen Adel, wobei hier vor allem die Themen Heirat und Familienleben als Kontextualisierung, aber auch als Abgrenzung dienen. Reif arbeitete die adeligen Familienstrukturen im Wandel der Zeit zwischen 1770 und 1860 in Westfalen heraus und bilanzierte den Rückzug des Adels auf Kernfamilie und somit auch der Frau als Ehefrau und Mutter in Häuslichkeit und Erziehung.
Aus volkskundlicher und historisch-anthropologischer Sicht hat Britta Spies die konkrete Lebenspraxis einer niederadeligen Frau untersucht, mit dem Ziel, die isolierte Wahrnehmung des Adels als Herrschaftsstand aufzubrechen und seine Verflochtenheit mit anderen Ständen zu betrachten. Ihre Quelle sind die Tagebücher der Caroline von Lindenfels, mit welchem Spies sich im ersten Teil der Arbeit intensiv auseinandersetzt. Sie stellt die Tagebücher sowohl als allgemeine als auch als spezifische Quelle am Beispiel von Caroline von Lindenfels dar und zeigt die Schreibsituationen und -motive auf. Für die Beschreibung der Lebenswelt zieht Spies im zweiten Teil die Schreibsituationen als Analysefaktor nur selten hinzu, sodass beide Teile der dennoch interessanten Arbeit recht unverbunden nebeneinander stehen. Hier lässt sich, da auch die Tagebücher der Caroline von Lindenfels einen langen Zeitraum abdecken, nicht nur adeliges Leben - das von Caroline von Lindenfels und das von Maria Esterházy - miteinander vergleichen, sondern auch die Erfahrungen, die sie gemacht haben und über die sie berichten, die Emotionen, die im Schreiben Eingang finden sowie die Schreibpraxis an sich.
Wichtig für diese vorliegende Arbeit war auch die Diskussion über das Konzept der Adeligkeit und die Geschlechterkonzeption des 19. Jahrhunderts. Unklar hierbei ist, ob es "den" Adel im 19. und 20. Jahrhundert gegeben hat. So argumentieren die einen, dass die sozialen, territorialen, standes- und erbrechtlichen, konfessionellen Differenzen innerhalb des Adels zu groß und vielfältig seien, um von "dem" Adel sprechen zu können, andere hingegen verweisen auf kulturelle Werte und Selbststilisierungen des Adels, die trotz der oben genannten Unterschiede gemeinsam geteilt würden. Wieder andere gestehen dem Adel zumindest ein kulturelles Selbstverständnis zu.
Zudem bleibt weiterhin ungeklärt, inwiefern der Adel die Begrifflichkeiten "Privates" und "Privatheit" in seine Auffassung über das Selbstverständnis integrierte. Die Geschlechterkonzeption des 19. Jahrhunderts wies den Männern den öffentlichen Raum zu, den Frauen den privaten. Derartige Geschlechterkonzeptionen waren zunächst einmal ideologisch, bedeuteten also nicht zwangsläufig Praxis. Dennoch waren sie allseits bekannt, sodass folglich auch der Adel davon hätte wissen müssen. Heinz Reif zeigte in seiner Studie, dass der westfälische Adel seine Frauen zu Beginn des 19. Jahrhunderts idealisierte und sich Wahrhaftigkeit, gefestigten Charakter, Heiterkeit, Religiosität, Emotionalität, Bescheidenheit, umfassende Bildung, Reinheit und Natürlichkeit wünschte. Tendenzen zur Liebesheirat und die Fokussierung auf Kindererziehung wertete Reif als Anerkennung einer Verbürgerlichung im begrenzten Maße, und auch Sylvia Paletschek schließt daraus eine Verbürgerlichung des Frauenbildes für das 18. Jahrhundert und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts - diese Tendenz sollte sich für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts umkehren.
Doch das Leben des landbesitzenden Adels war mit den Herrschaftsrechten, die an seinen Besitz gebunden waren, durch den Öffentlichkeitsbezug charakterisiert. Außerdem trug dessen kollektives Selbstverständnis antibürgerliche Züge, sodass die Frage aufkommt, weshalb der Adel eine bürgerliche Geschlechterideologie hätte aufnehmen sollen. Monika Kubrova kommt in ihrer Studie zumindest für die Sicht- und Handlungsweisen adeliger Frauen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Spiegel ihrer Autobiographien zum Schluss, dass das polare Ordnungsmodell für die Verfasserinnen nur eine geringe Rolle spielte. Ehe, Landbesitz, soziales Engagement und Hof beispielsweise waren keine geschlechterspezifischen Gestaltungsräume, sondern adelskonform und für die Geschichte des Adels im 19. Jahrhundert insgesamt relevant. Adelige Männer und Frauen besaßen gleichermaßen Hofzugang, und die Aufgaben der adeligen Frau nahmen die Verfasserinnen der Autobiographien als gleichwertig gegenüber denen ihrer Männer wahr. Frauen nahmen wie auch die Männer an ihrer adeligen Gesellschaft teil und hatten zahlreiche Verpflichtungen zu übernehmen, um Landbesitz und Exklusivität und standesgemäße Berufe ihrer Ehemänner und Söhne zu bewahren. Daher erhielten Frauen eine vermittelnde und damit integrierende Position innerhalb ihres Standes. Diese übernahmen sie nicht einfach nur, sondern vermochten sie mit eigener Verantwortung und Fähigkeiten zu gestalten. Das führte zur Identifikation mit ihren Aufgaben und stärkte ihre Zugehörigkeit zum Adel. Die vorliegende Studie folgt dieser These.
1.1 Die Verfasserin der Tagebücher
Maria Esterházy-Galántha, geborene Plettenberg-Mietingen lebte von 1809 bis 1861 und war das zweite Kind von Graf Maximilian von Plettenberg-Mietingen und Gräfin Maria Josepha von Gallenberg. Ihr Bruder war 1808 mit drei Jahren gestorben. Als einzig verbliebenes Kind setzte Marias Vater sie als Alleinerbin ein. 1813 wurde sie durch den Tod ihres Vaters Halbwaise. Ihre Mutter heiratete in zweiter Ehe den Grafen Christian Ernst Stolberg-Stolberg.
Ihre Kindheit verbrachte Maria bis 1818/19 in Nordkirchen, Westerwinkel und Münster, anschließend in einer Pension in Düsseldorf und erlebte ihre Jugend ab 1820/21 bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in Ungarn und Österreich. Wann Maria sich wo bei wem aufhielt, lässt sich vor 1824, also vor Beginn der Jugendtagebücher, nicht mehr rekonstruieren. 1833 heiratete Maria den ungarischen Grafen Nikolaus Esterházy-Galántha, Erbe von Totis. Sie hatten zusammen drei Söhne: Paul (1834-85), Maximilian (1837-83) und Nicolas (1839-97).
Da Marias Vater so früh starb und Maria einen Heiratsantrag von Joseph von Plettenberg-Lenhausen ablehnte - mehr dazu in Kapitel 2 - strengte dieser 1828 einen Prozess gegen sie an, indem er den Vertrag (Vergleich) von 1813, der zwischen seinen Vormündern und Graf Maximilian abgeschlossen worden war, nicht anzuerkennen gedachte. In dem Vergleich hatten beide Linien einen gegenseitigen Verzicht auf jene Erbansprüche ausgesprochen, die im Testament des gemeinsamen Ahnherrn Graf Ferdinand von 1737 anerkannt worden waren. Konkret erhob er dabei Anspruch auf das Fideikommiss, das Fürstbischof Friedrich Christian von Plettenberg zu Lenhausen für seinen Neffen Werner Anton (Bruder von Josephs Ururgroßvater) erworben hatte, nicht aber auf die später erworbenen Güter.
Die Lenhausener hatten das Recht, die immediaten Herrschaften und andere Güter innerhalb von fünf Jahren zu kaufen, sofern nach dem Aussterben des Nordkirchener Mannesstammes der Besitz an die männlichen oder weiblichen Nachkommen der Tochter oder an die weibliche Deszendenz (Verwandtschaft in absteigender Linie) des Sohnes fiel. Dieses Recht galt auch umgekehrt für die Nordkirchener Linie. Mit Marias Vater war der Nordkirchener Zweig also im Mannesstamm ausgestorben. Gemäß des Testaments hätte Lenhausen das Recht, das Erbe aufzukaufen, aber durch den Vergleich, den die Vormünder von Joseph und Maria 1813 erzielt hatten, verzichteten beide Häuser darauf. Joseph verwarf 1828, im Jahr seiner Vollmündigkeit, diesen Vergleich.
Am 10. März 1833 gewann Maria den Prozess auch in der dritten Instanz. Die Nachricht erhielt Maria am 23. März in Wien. Wenige Wochen später wurde sie für vollmündig erklärt und trat nach ihrer Heirat im selben Jahr die Herrschaft in Nordkirchen und Mietingen an. Auf den Zustand des Schlosses zu diesem Zeitpunkt wird in Kapitel 3.4 (Wohnkultur) eingegangen.
Maria, Gräfin Esterházy de Galántha-Forchtenstein, geborene Reichsgräfin von Plettenberg-Mietingen, Sternkreuzordens- und Palastdame ihrer Majestät der Kaiserin - so ihr Titel - starb am 22. Juli 1861 in ihrem 53. Lebensjahr um halb zwölf Uhr mittags in Wien an einer "Leber-Entartung", wie es in ihrer Todesanzeige heißt.
1.2 Die Tagebücher der Gräfin
Die Tagebücher der Gräfin sind Teil des Bestandes von Nordkirchen, das größtenteils das Archiv des Landesverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster verwahrt. Dieser Bestand ist in zwei Teilbestände aufgeteilt: das um 1800 verzeichnete sogenannte Kastenarchiv und einen in den 1950er Jahren gebildeten Bestand. Das Kastenarchiv übereignete der letzte Herr von Nordkirchen, Herzog von Arenberg, 1922 dem damaligen Provinzialverband Westfalen. Der Bestand wurde zunächst im Landesmuseum untergebracht. 1954 erhielt der LWL als Nachfolger des Provinzialverbandes auch die weiteren auf Nordkirchen noch verbliebenen Archivalien, die in den nachfolgenden Jahren verzeichnet wurden. Die Erschließung der Urkunden beider Teilbestände folgte in den sechziger Jahren. Insgesamt gibt es also drei Verzeichnisse: das Kastenarchiv, die Akten und die Urkunden. Das Archiv Nordkirchen selbst spiegelt für den Zeitraum 14. bis 19. Jahrhundert die Besitzverhältnisse und die Geschichte der Familien, die Nordkirchen besaßen, wider. Für die Arbeit wichtige Quellen waren die Eheverträge und Testamente der Eltern, Groß- und Urgroßeltern Marias, die Akten zur Baugeschichte und zur Regelung der Vormundschaft von Maria sowie zum Erbstreit zwischen ihr und ihrem Verwandten Graf Joseph von Plettenberg-Lenhausen.
Der Nachlass von Maria Esterházy stellt ein in sich abgeschlossenes Verzeichnis dar. Sie selbst hatte ihren Nachlass vorgeordnet, deren Kern sogenannte "sechs Mappen" bildeten, die beschriftet waren. 2010 wurde eine Neuverzeichnung des Bestandes vorgenommen und aus den 30 ursprünglichen Einheiten 72 gebildet. Die von der Gräfin selbst gebildeten Einheiten in Mappen konnten nicht mehr in der originalen Reihenfolge beibehalten werden. Die Neuverzeichnung bemühte sich aber weiterhin darum, die Inhalte nach den originalen Titeln und Beschreibungen zuzuordnen.
In dem gräflichen Nachlass sind acht Tagebücher aus den Jahren 1824 und 1836 bis 1861 enthalten. Des Weiteren liegen Aufzeichnungen aus den Kinder- und Jugendjahren ihrer drei Söhne von 1844 bis 1861 vor. In ihrem Wirtschaftstagebuch, geführt von 1849 bis 1861, behandelt Maria fast ausschließlich Maßnahmen zur Verwaltung ihres Besitzes, vor allem von Nordkirchen. Ergänzt wird das Wirtschaftstagebuch von den Aufzeichnungen des Verwalters, die er während der Abwesenheit der Gräfin geführt hat. Darüber hinaus gibt es ein Testament der Gräfin, das die Nachfolge ihres Erbes Nordkirchen und Mietingen regelt, Inventarverzeichnisse, Aussteuerlisten, ein dreibändiges Ausgabejournal und ein zweibändiges Verzeichnis der Schlossbibliothek. Das um 1850 von der Gräfin aufgestellte Inventarverzeichnis listet die Inneneinrichtung des Schlosses Nordkirchen auf. Außerdem existiert ein Inventarverzeichnis der Schlosskapelle. Weiterhin beinhaltet der Nachlass der Gräfin noch weitere Bände wie ein Distanzenregister für Reisen von Nordkirchen nach Münster, Köln, Wien, Ungarn, usw., Gedichtbände, Zeichenbücher, Mappen über Verwaltungsangelegenheiten aus Mietingen und Wittem, Briefe von Maria aus ihren Kinderjahren, Briefe von Verwandten und Freunden an ihren Vater, ein Exzerpt ihrer Großmutter zum Thema Erziehung sowie Glückwunschbriefe zu verschiedenen Anlässen, Freundschafts-, Stamm-, und Brieftagebücher ihres Vaters.

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