Übersicht


Epoche : Aufklärung
Originalsprache : Französisch
Umfang : ca. 149 Seiten
Thema : Theodizee
Ort : Südamerika, Deutschland
Besondere Liste : Meyers Kleines Lexikon - Literatur, 50 Klassiker - Romane vor 1900, 1001 Bücher, Das Buch der 1000 Bücher, 501 Must-Read Books, The Guardian 1000 Novels
Verlag : Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Diogenes Verlag, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, Klett-Cotta, Manesse Verlag, Rütten & Loening
Buchreihe : detebe

Kurzbeschreibung


»Candide« ist ein Roman von Voltaire. 1758 wurde das literarische Werk zuerst veröffentlicht.

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Charakteristik / 1 Einschätzung


Anspruch
Wissen
  7
2
    Liebe
Humor
  2
6
    Erotik
Spannung
  1
4
    Unterhaltung
Transzendenz
  8
2
   



In einem ärmlichen westfälischen Schloss wächst Candide auf. Dort wird er vom Hofphilosophen Pangloss unterrichtet, dessen Steckenpferd die leibnizsche These ist, dass wir in der besten aller Welten leben. Erste amouröse Annäherungen an Kunigunde, die Tochter des Barons, führen zu seinem Rauswurf. Für Candide beginnt damit eine Odyssee quer durch Europa bis ins südamerikanische El Dorado, auf welcher der naive Held, seine vergötterte Kunigunde und der immer wiederkehrende Pangloss mit der Brutaliät der Menschen und der Härte der Natur (Erdbeben von Lissabon) konfrontiert werden und der Glaube, dass die Welt aufs Beste eingerichtet sei, nur unter größten Zugeständnissen aufrecht zu erhalten ist.



Kurzkritiken


     
gewitzte Abenteuerliteratur par excellence
     
originell, unterhaltend, erheiternd
     
anspruchsvoll, originell, nachhaltig, bereichernd
     
originell, nachhaltig, bereichernd, fesselnd, erheiternd
     
nachhaltig, bereichernd, erheiternd



In Westfalen auf dem Schlosse des Herrn Baron von Donnerstrunkshausen ward mit der jungen Herrschaft zugleich ein junger Mensch erzogen, ein gar liebes, sanftes Geschöpf, aus dessen kleinstem Gesichtszuge Sanftheit hervorblickte. An Kopf fehlt' es ihm gar nicht, und doch war er so offen, so rund, so ohn' alles Arg wie unsre Ahnen. Ebendeswegen, glaub ich, nannte ihn Baroneß Engeline, Schwester des Herrn Barons, Kandide. Wie hätte eine Dame, die anderthalb Jahr zu Berlin infranzösischer Pension gewesen, sich auf einen teutschen Namen besinnen, oder wenn sie sich ja darauf besonnen, ihn goutieren können?
Kandide war - munkelten die alten Bedienten im Hause, - eine heimliche Liebesfrucht von ebenbesagter Schwester des Herrn Barons und einem guten ehrlichen Schlag von Landjunker aus der Nachbarschaft. Zum Gemahl hatte ihn die gnädge Baroneß nie gemocht, weil der arme Schlucker seinen Adel mit nicht mehr als einundsiebenzig Ahnen belegen konnte und weil der Rest seines Stammbaums durch den scharfen Zahn der Zeit war auf genagt worden.
Der Herr Baron, Hans Jost Kurt von Donnerstrunkshausen, war einer der Matadore in Westfalen, denn sein Schloß hatte Tür' und Fenster, ja sogar einen austapezierten Saal. Seine Kettenhunde stellten, wenn Not an Mann kam, eine Jagdkoppel vor, seine Stallknechte die Jäger und der Priester im Dorfe den Oberschloßkaplan. Alt und jung nannte den alten Herrn Ihro hochfreiherrliche Gnaden, und wollte vor Lachen bersten, wenn er etwas erzählte.
Die Frau Baroneß stand in gar großem Ansehn, denn sie wog richtig ihre dreihundertundfünfzig Pfund, wo nicht noch mehr, und wußte die Honneurs mit einer Würde zu machen, die ihr noch größre Hochachtung verschaffte.
Ihre Tochter, die Baroneß Kunegunde, war ein munters, rundes, rotbäckiges Ding, siebzehn Sommer alt und gar lieblich anzuschaun; Junker Polde, ihr Bruder, ein würdiges Ebenbild des gnädgen Herrn Papa. Magister Panglos, der Hofmeister der jungen Herrschaft, stellte das Hausorakel vor. Der junge Kandide schluckte jegliche seiner Lehren mit der Treuherzigkeit hinter, die seinem Alter und Charakter gemäß war.
Panglos lehrte die Metaphysiko-theologo-kosmolo-nigologie; bewies mit der stärksten philosophischen Suade, daß ohne Ursach keine Wirkung sein könne, und daß in dieser besten aller möglichen Welten das Schloß des gnädgen Herrn Barons das schönste aller Schlösser sei und die gnädge Frau die beste aller möglichen Baroninnen.
Es ist bereits klärlich dargetan, hub er zu demonstieren an, daß die Dinge nicht anders sein können, als sie sind; denn alldieweil alles, was da ist, zu einem Endzweck geschaffen worden, so zielt notwendig alles zu dem besten Endzweck ab. Gebt nur acht, und Ihr werdet diese Grundwahrheit durchgängig bestätigt finden. Betrachtet zum Beispiel Eure Nasen. Sie wurden gemacht, um Brillen zu tragen, und man trägt auch welche. Eure Beine: Ihr empfingt sie, um sie zu bestrümpfen und zu beschuhen, und Ihr bestrümpft und beschuht sie. Seht die Quadersteine an! Sie wachsen, um zersägt, behauen, und zum Bau der Paläste verwandt zu werden, derohalben hat unser gnädiger Herr Baron einen gar herrlichen Palast von Quadersteinen; der größte Baron im ganzen Herzogtume muß die beste, bequemste Wohnung haben, und hat sie auch. Die Schweine schuf Gott, damit der Mensch sie äße, essen wir nicht Schweinefleisch jahraus jahrein? Folglich ist es Torheit mit einigen zu behaupten, daß alles gut gemacht ist, aufs beste ist alles gemacht, muß man sagen.
Das fing der junge Kandide mit beiden offnen Ohren auf, und glaubte es in seiner Herzenseinfalt steif weg, denn er fand Baroneß Gundchen außerordentlich schön, ob er gleich nie den Mut gehabt hatte, es ihr zu sagen. Er schloß, die erste Stufe irdischer Glückseligkeit wäre Freiherr auf und von Donnerstrunkshausen, die zweite Baroneß Kunegunde zu sein, die dritte, sie täglich zu sehen, die vierte, den Magister Panglos zu hören, den größten Philosophen im ganzen Westfälischen Kreise, folglich auch in der ganzen Welt.
Eines Tages, als Baroneß Kunegunde in dem kleinen Gehölze am Schlosse spazierenging, das man den hochfreiherrlichen Park nannte, erblickte sie hinter dem Gesträuch den Herrn Magister Panglos, der Versuche aus der Experimentalphysik mit ihrer Frau Mutter Kammerjungfer anstellte, einem gar niedlichen und gar gefügen braunen Dirnchen. Die junge Baroneß lauscht' und lauschte mit dem leisesten Atemzug und beobachtete - denn sie hatte ungemeine Anlage zu den Wissenschaften - all' die
Was maßen Kandide in einem schönen Schlosse erzogen und aus selbigem fortgejagt wird.

Experimente, die der Magister von Zeit zu Zeit wiederholte; sahe Panglosens zureichenden Grund, die Ursachen und Wirkungen gar deutlich, und schlich fort in tiefen Gedanken. Ihr war so wohl und so weh ums Herz; die Begier, gelehrt zu werden, füllte ihre ganze Seele, und der Gedanke: sie könnte wohl des jungen Kandide zureichender Grund werden, und er der ihrige. Beim Hereintreten ins Schloß begegnete ihr Kandide; sie ward rot, Kandide auch. Guten Morgen Kandide! stammelte sie. Und Kandide schwatzte mit ihr, ohne zu wissen was. Den folgenden Tag, nach aufgehobner Mittagstafel, befanden sich Kunegund' und Kandide hinter einer spanischen Wand; Kunegunde ließ ihr Schnupftuch fallen, Kandide hob's auf; sie nahm ihn in aller Unschuld bei der Hand, er, auch in aller Unschuld, küßte der jungen Baronesse die ihrige, und das so warm, so herzlich! O es war keiner von Euren Theaterküssen! Ihre Lippen begegneten einander, ihre Augen erglühten, ihre Kniee bebten, ihre Hände verirrten sich.
In eben dem Nu ging der Herr Baron von Donnerstrunkshausen bei dem Schirm vorbei, und diese Ursach' und diese Wirkung erblickend, jagt' er Kandiden mit derben Fußtritten zum Schlosse hinaus. Gundchen sank in Ohnmacht; sobald sie sich ein wenig erholt hatte, ward sie von der gestrengen Frau Mama wieder völlig in's Leben zurückmaulschelliert, und in dem schönsten und anmutigsten aller Schlösser herrschte Bestürzung über Bestürzung.

Kandide oder die beste Welt, Berlin, Christian Friedrich Himburg, 1782, Übersetzer: Wilhelm Christhelf Sigismund Mylius

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4 Treffer

»Das Missgeschick der einzelnen bringt das allgemeine Wohl hervor, so dass je mehr Missgeschick der einzelne hat, das Ganze nur desto besser dasteht.«
Pangloss (4. Kapitel)
Aktion:

»Dummköpfe bewundern alles bei einem Autor, der einen Namen hat.«
Pococurante (25. Kapitel)
Stichworte: Dummheit
Aktion:

»Sie disputierten vierzehn Tage ohne Unterbrechung, und am vierzehnten Tag waren sie ebensoweit wie am ersten.«
20. Kapitel
Stichworte: Diskussion
Aktion:

»Arbeiten wir, ohne zu philosophieren«, sagte Martin, »denn das ist das einzige Mittel, das Leben erträglich zu machen.«
Martin (30. Kapitel)
Aktion:



Übersetzung


Wihlelm Christhelf Sigismund Mylius (1782)
Martin H. Richter (1953)
Albert Baur (1956)
Ilse Lehmann (1969)
Stephan Hermlin (1972)
Jürgen von Stackelberg (1987)
Wolfgang Tschöke (2002)
Johann Frerking (2005)
Ulrich Bossier (2006)


Illustration


Max Unold (1913) (12 Holzschnitte und Initialen)
Richard Dreher (1926) (34 eingedr. Steinzeichnungen)
Ilse Lehmann (1948)
Werner Klemke (1958)
Paul Klee (1962) (27 Zeichnungen)
Gabriele Mucchi (1972) (41 Federzeichnungen)
Rolf Kuhrt (1999) (11 Holzschnitte)
Adrien Moreau (2006)


Informationen


- vollständiger Titel lautet: Candide ou L'optimisme : traduit de l'allemand de M. le docteur Ralph, avec les additions qu'on a trouvées dans la poche du docteur lorsqu'il mourut à Minden, l'an de grâce 1759

Ausgaben (Auswahl)


lieferbare Ausgaben
Candide
Candide
(Voltaire)
Diogenes Verlag, 2005, 224 S., 9783257234916
11,00 €

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Candide
Candide
(Voltaire)
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, 2009, 152 S., 9783423137508
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Candide
Candide
(Voltaire)
Klett-Cotta, 2010, 160 S., 9783125974852
10,50 €

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nicht mehr lieferbar
Kleine Romane und Erzählungen
Rütten & Loening, 1984, 483 S.

Sämtliche Romane und Erzählungen, Bd. 1
Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, 1948, 399 S.




Linktipp: »The Guardian 1000 Novels« als Besondere Liste haben auch