Literarisches Werk


Haus der Hunde

Haus der Hunde

-Eine Suche in Süditalien-

Susanne Ferolla

 



Übersicht


Originalsprache : Deutsch
Umfang : ca. 449 Seiten
Thema : Unterdrückung, Erpressung
Ort : Neapel
Verlag : Tredition

Kurzbeschreibung


»Haus der Hunde« ist ein Roman von Susanne Ferolla. 2008 wurde das literarische Werk zuerst veröffentlicht.

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Haus der Hunde
Beatrice erfährt, dass sie eigentlich Chiara heißt und man sie schon seit Jahren für tot hält. Und wer ist die verschwundene Frau, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt?
Die Suche nach ihr führt sie nach Neapel und verstrickt sie in einen Sumpf aus Korruption und Unterdrückung.

Der Zufall will es, dass Beatrices neuer Liebhaber Tobias im Auftrag der Londoner Global-Search-and-Enquiry-Company arbeitet, die für gut zahlende Klienten weltweit nach vermissten Personen sucht und Nachforschungen betreibt.
Ihr solides Lehrerinnenleben gerät gehörig aus den Fugen, als Tobias ihr vorwirft, ein Doppelleben zu führen und in Wirklichkeit die verschwundene Tochter der reichen und einflussreichen Herrschaften Mondadori aus Neapel zu sein.
Fassungslos streitet Beatrice alles ab. Aber Tobias hat Beweise: Es existiert eine Filmaufnahme von einem Familienausflug in Mondadoris Luxusjacht. Eine junge Frau, die Beatrice wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt, flaniert an der Reling entlang und lächelt in die Kamera. Beatrice ist sich jedoch sicher, noch nie in ihrem Leben auf dieser Jacht gewesen zu sein. Tobias’ Misstrauen verletzt sie.

Das Geheimnis ihrer unklaren Herkunft scheint sie einzuholen.
Beatrice ahnt, wer die Mondadoris sind und ist fest entschlossen, sie zu treffen. Sie setzt sich gegen den Willen des wortkargen Team-Chefs Steven Gordon durch und erreicht, dass sie das Londoner Team nach Neapel begleitet.
Ein Tag vor der Abreise bestätigt sich ihre Vorahnung: Sie ist von Tobias schwanger. Aus Angst, ihn zu verlieren, schweigt sie.
Beatrice gerät in ein Netz aus Korruption und Erpressung. Zu spät erkennt sie, dass die Situation sie überfordert.




Dr. Tobias Tarkan Süliman verkrallte sich in die Armlehnen, als erwarte er gleich einen gewaltigen Knall. Fassungslos starrte er auf die miserable Videoaufnahme, die ihnen Henry Brown, der Generaldirektor der Londoner Global-Search-Enquiry-Company, vorführte. Der Ton war viel zu laut eingestellt; offensichtlich nahm Brown an, dass sie schwerhörig waren.
Die Frau auf der Mattscheibe, von der er geglaubt hatte, sie sei seine Freundin Beatrice, flanierte im dunkelroten Kleid
und mit Glitzerstrass besetzten Slingpumps an der Reling einer Luxusjacht entlang. Tobias’ Nickelbrille rutschte ihm unaufhaltsam über die Nase und verwandelte Beatrice in einen langen Ketchupfleck. Sofort schob er die Brille zurück und Beatrice winkte ihm gestochen scharf zu, drehte sich kokett um die eigene Achse und räkelte sich in Fotopose. Der Seewind spielte mit ihren fantastischen kastanienbraunen Haaren.
Henry Brown zog sein Sakko zurecht und räusperte sich. „Das, meine Herren, ist Maria-Stella Mondadori. Die reizende Tochter der Herrschaften, die Sie suchen sollen“, übertönte seine Stimme den quäkenden Ton der Aufnahme.
Tobias hatte das Gefühl, einen kratzigen Schwamm unter der Zunge zu haben und schloss für einen Augenblick die Augen. Was, bitte, hatte seine Freundin auf dieser Jacht verloren? Warum hieß sie plötzlich Maria-Stella?
Verwirrt beobachtete er weiter. Ein untersetzter Frosch mit gepflegter Halbglatze lief von links ins Bild und umarmte Beatrice. Der Wind fuhr dem Frosch durch die Ärmel seines weißen Hemdes und blähte ihn auf. Die Seidenkrawatte schlappte ihm immer wieder ins Gesicht, bis er sie gequält festhielt. Das war Signor Vittorio Mondadori, angeblich Beatrices Vater. Er zauberte hinter seinem Rücken einen Sonnenhut mit einer albernen breiten Krempe hervor und setzte ihn seiner Tochter auf.
Lachend zog Beatrice den Kopf ein und presste beide Hände auf den Hut, was den Wind nicht davon abhielt, ihr die Krempe auf ihren blutrot geschminkten Mund zu schlagen.
Die Kamera machte einen Schwenk zu Signora Marietta Mondadori, die auf einem Liegestuhl in einer Frauenzeitschrift blätterte und abwehrend ihre perfekt manikürte Hand vor die Kamera hielt. Genervt schüttelte sie den Kopf, ihre goldenen Ohrringe baumelten gegen ihre mageren Backen.
Ich habe einen Knick in der Optik, meine Sinne spielen mir einen Streich, fuhr es Tobias durch den Kopf.
Hilflos sah er zu, wie sich die Möwen auf den Hut stürzten, der auf Nimmerwiedersehen auf das Meer hinausgetrieben wurde.
Sascha Becker, der sich neben ihn in den Sessel gefläzt hatte, verfolgte mit schmalen Augen, wie Beatrice mit dem Strohhalm die Eiswürfel in ihrem Drink verrührte. Er zog schnaubend seine schwarze Baumwollmütze ab und fuhr sich über sein kurz geschorenes flachsblondes Haar.
Sascha war der Einzige im Team, der seine Freundin kennen gelernt hatte. Während des Fluges nach London hatte er Tobias damit aufgezogen, dass seine neue Flamme – Oberstudienrätin Frau Dr. Beatrice Charlotte Holznagel – Kaugummis im Unterricht verbot. Das Knatschen störe sie gewaltig und der Gedanke, einer wiederkäuenden Kuhherde Integralrechnung beizubringen, gebe ihr angeblich das Gefühl, den Beruf verfehlt zu haben.
„Heißer Arsch, was?“, sagte Sascha bissig.
Tobias warf ihm einen scharfen Blick zu. Sascha brauchte ihn nicht ausgerechnet vor Brown daran zu erinnern, dass es noch nie seine Stärke gewesen war, die richtige Frau zu finden. Bis vor kurzem war Beatrice lediglich seine Wohnungsnachbarin gewesen, die ihm in seiner Abwesenheit den Briefkasten geleert und ihm somit den Hausmeister vom Leib gehalten hatte. Dank ihr konnte er interessante Gesteinsproben, die er überall auf der Welt sammelte, an sich selbst schicken. Irgendwann fing sie an, auf ihn zu warten und er schickte die Päckchen hauptsächlich deshalb, damit er einen Grund hatte, nach seiner Rückkehr bei ihr zu klingeln und in ihre graugrünen Augen zu schauen. Da er nicht wie früher ununterbrochen in aller Welt für die Londoner GSE-Company tätig war, sondern die meiste Zeit über an der geologischen Fakultät der Universität Freiburg Vorlesungen hielt, stand aus seiner Sicht einer Beziehung nichts mehr im Wege. Vielleicht lag es an der würzigen Schwarzwälder Luft, die ihm solche Flausen in den Kopf gesetzte hatte.
„Kein Wunder, dass sie ständig über ihren Job jammert“, raunte ihm Sascha zu. „Von wegen kein Geld für ein neues Auto.“
„Halt die Klappe!“, zischte Tobias.
Sascha setzte sich wieder die Baumwollmütze auf. „Schon gut, Mann. Ich sag ja nichts. Ist dein Bier.“
Steven Gordon, der Chef des Teams, beobachtete mit unbewegter Miene die Gesellschaft, die sich zu einem Drink auf ihre Liegestühle zurückgezogen hatte. „Und wo, Mr Brown, soll das Team suchen? Neapel ist groß!“, brummte er. Gordon zog an seiner schmalen Pfeife, Rauch quoll ihm aus der Nase und schwängerte den Raum mit dem süßlichen Geruch nach Marihuana, das er manchmal in den Tabak mischte. Das war Brown ein Dorn im Auge, aber selbst die Drohung ihn rauszuschmeißen interessierte Gordon herzlich wenig. Normale Menschen machten diesen Job nicht; außer Brown war keiner hier normal, außer Brown roch niemand mehr, was Gordon in seine Pfeife mischte.
„Neapel sehen und sterben, oder wie war das, Tobias?“, fragte Jean Louis Baptiste de Boulogne, ein französischer Graf, der das Team als Expeditionsarzt begleitete. Über sein fein geschnittenes Gesicht huschte ein spöttisches Lächeln.
Tobias rieb sich die Schläfen, als quälten ihn Kopfschmerzen.
Der Graf sah ihn überrascht an. „Ist Ihnen nicht gut?“
„Mir geht es bestens, Jean“, entgegnete Tobias langsam.
Stirnrunzelnd nahm Gordon seine Pfeife aus dem Mund, langte nach dem Aschenbecher auf dem Tisch und klopfte sie aus. „Brauchen mehr Informationen! Dunkelhaarige Frauen gibt es Tausende in Neapel. Werden den Auftrag nicht annehmen, wenn uns die Herrschaften Mondadori außer diesem unterhaltsamen Filmmaterial keine weiteren Anhaltspunkte geben können.“
Brown zuckte hilflos mit den Schultern. „Die Polizei kommt nicht weiter. Wie die Herren sich denken können, haben Recht und Ordnung in dem undurchdringlichen Sumpf aus Korruption keine Bedeutung. Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt nicht, wer hinter dem Verschwinden Maria-Stellas steckt. Zu ihrer Information: Signor Mondadori ist ein einflussreicher Richter. Wenn die Herren mich fragen, steckt Erpressung dahinter, aber Signor Mondadori hat sich nicht dazu geäußert.“
Gordon tippte sich mit dem Pfeifenkopf an die Stirn. „Sind nicht lebensmüde! Können nicht komplette Camorra aufscheuchen! Trage Verantwortung für die Männer meines Teams!“
Brown straffte die Brust. „Mr Gordon, die GSE-Company arbeitet nicht mit der Polizei zusammen, ist unabhängig und, wie ich hoffe, unempfindlich gegen Bestechung. Ich nehme an, dass uns Signor Mondadori genau aus diesem Grund konsultiert hat. Hören Sie sich wenigstens an, was die Herrschaften Mondadori zu sagen haben, bevor Sie urteilen!“
„Und? Wo sind die Italiener?“, knurrte Gordon.
„Die Herren werden zu den Mondadoris nach Neapel fliegen, dort werden Sie mehr erfahren. Und wenn es den Herren nichts ausmacht, sitzen Sie in drei Stunden im Flugzeug. Ich bitte Sie darum!“
„Das geht nicht! Stornieren Sie die Flüge!“, rief Tobias. Er sprang auf, überraschte Gesichter starrten ihn an.
Gordon hob skeptisch seine Augenbrauen, als stände plötzlich ein Irrer vor ihm.
Für langwierige Erklärungen würde ihm Gordon keine Zeit lassen. Mit hochrotem Gesicht hastete Tobias auf Browns Schreibtisch zu und raffte die Fotos an sich, die der Generaldirektor den Männern vor der Filmvorführung gezeigt hatte.
„Geben Sie mir eine Stunde Zeit!“, rief er und rannte aus Browns Büro.
„Tobias!“, schrie Gordon und schnellte aus dem Sessel.
Doch Tobias’ Schritte verhallten im Gang. Zwecklos, ihm hinterherzurennen. Sie mussten warten, bis er wieder aufkreuzte.
Sascha zuckte lässig mit den Schultern und bemühte sich nicht im Geringsten, sein Grinsen zu unterdrücken. „Ich sag nichts dazu. Das ist seine Sache.“
Schnaubend ließ sich Gordon in den Sessel zurückfallen.

Susanne Ferolla

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Haus der Hunde
Haus der Hunde
(Susanne Ferolla)
Tredition, 2008, 456 S., 9783868502718
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