Buch
Ordnungsformen der Gewalt
-Reflexionen über die Grenzen von Recht und Staat an einem einsamen Ort in Papua-Neuguinea-Peter Hanser; Trutz von Trotha
69,80
EUR
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Übersicht
Verlag | : | Köppe, R |
Buchreihe | : | Siegener Beiträge zur Soziologie (Bd. 3) |
Sprache | : | Deutsch |
Erschienen | : | 05. 03. 2002 |
Seiten | : | 448 |
Einband | : | Gebunden |
Höhe | : | 240 mm |
Breite | : | 160 mm |
Gewicht | : | 930 g |
ISBN | : | 9783896453303 |
Illustrationen | : | 3 Karten, 17 Schwarzweißfotos, 1 Abbildung, 4 Tabellen |
Produktinformation
Heute sind Polizei, Staatsanwaltschaft und staatliche Gerichte aus den Rechtsordungen aller Regionen der Welt nicht mehr wegzudenken, und doch ist über den Rechtsalltag der unteren Rechtsinstanzen in Dörfern und kleinen Provinzstädten immer noch so gut wie nichts bekannt. Peter Hanser und Trutz von Trotha haben in ihrem Werk die Bedingungen, Arbeitsweisen und Wirkungen der Rechtsordnung von Papua-Neuguinea untersucht. Besonders die lokalen Bedingungen der mehr oder minder hochformalisierten Einrichtungen des staatlichen Rechtssystems interessierte die Autoren. Sie untersuchten den Alltag und die Sicht der Dorfpolizisten, der reisenden Staatsanwälte und Richter.
Die Studie über Papua-Neuguinea ist eingebettet in die Erörterung allgemeiner theoretischer und methodischer Probleme bei der Erforschung des Rechts und schließt mit einer Abhandlung über die „Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols“. Diese Abhandlung begreift die Verhältnisse in Papua-Neuguinea als eine von fünf Typen weltweit zu beobachtender Rechtsordnungen und zeichnet einige wichtige Grundzüge des Wandels unserer ‚wohlfahrtsstaatlichen Ordnungsform der Gewalt‘ zu einer ‚präventiven Sicherheitsordnung‘ nach. Ihre These ist, daß die Verhältnisse von Papua-Neuguinea Teil einer globalen Veränderung der Stellung des Staates und des Rechts sind. Sie lässt die Autoren fragen, ob Papua-Neuguinea uns vielleicht näher ist, als der Blick auf eine Weltkarte nahelegt.
BESPRECHUNGEN
Was bleibt? Eine auch sprachlich schöne und gelungene Vermittlung vom lokalen Zusammenhang zwischen äußerer Gerichtseinrichtung und dem tatsächlichen Versuch, im untersuchten Gebiet formal Recht zu sprechen; die Eindringlichkeit, mit der deutlich gemacht wird, wie verfehlt das angelsächsische Recht, insbesondere das Kreuzverhör, in der lokalen Situation Papua-Neuguineas sein kann; die Feststellung, daß es der Kolonialmacht Australien bis Beginn der staatlichen Unabhängigkeit Papua-Neuguineas nicht gelungen war, eine durchsetzungsfähige staatliche Rechtsordnung zu etablieren und daß dieser Mangel an geordneten staatlichen und juristischen Strukturen heute als „eine große Hypothek“ auf dem Land lastet (S. 185). Deutlich wird auch, daß die indigene Bevölkerung diese mangelnde Präsenz übergeordneter Strukturen negativ beurteilt und daß insgesamt eine deprimierende Grundstimmung vorherrscht. Bei allen Unterschieden zu Afrika – wiederholt sich in Papua-Neuguinea hier eine Entwicklung, die viele afrikanische Staaten an den Rand des Ruins geführt haben? Allerdings macht die Arbeit auch deutlich, daß, zumindest im untersuchten Gebiet, eine Rückkehr zu vorstaatlichen Strukturen weder gewünscht, noch wirklich möglich erscheint. Das Dorfgericht, wo Effektivität uns öffentliche Akzeptanz (durch den Versuch, „Gerechtigkeit“ auch unter Negierung tatsächlichen „Rechts“ herzustellen) am ehesten gegeben sind, hat eben in Papua-Neuguinea in vorstaatlicher Zeit gerade nicht existiert.
(Hermann J. Hiery im „Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte“ 8/2008, 435-439)
Wer über die Problematik von Staatsbildung in Regionen der Dritten Welt informiert werden und den Zusammenhang von Rechtsentwicklung und Staatlichkeit bildhaft begreifen will, der wird kaum an diesem Buch vorbeigehen können [.] Hanser und von Trotha jedenfalls haben mit ihrem Buch wesentliche Anstöße gegeben, um die Debatte zum Zusammenhang von Staatszerfall und kriegerischer Gewalt weiterzutreiben.
(Wolfgang Knöbl in „Soziologische Revue“ 27/2004, 193-195)
Das Buch stellt eine sehr anregende Verbindung zwischen Ethnologie und Rechtssoziologie her. [.] Für Politikwissenschaftler dürfte indes der dritte Teil, der sich mit der Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols befasst, noch interessanter sein. Ausgehend von vier Ordnungsformen der Gewalt, entwirft von Trotha [.] das skeptische Szenario eines „undramatischen“ Zerfalls moderner Staatlichkeit. Im Zuge einer um sich greifenden Privatisierung werde in den liberalen westlichen Demokratien das wohlfahrtsstaatlich abgesicherte Gewaltmonopol von einer präventiven Sicherheitsordnung abgelöst, einem „Gefüge von zunehmend eigenständigen und unabhängigen Regierungen jenseits des Zentrums und außerhalb des öffentlichen Bereichs“.
(MIR in „Zeitschrift für Politikwissenschaft“ 1/2004, 270-271)
Ein schönes Buch und ein vielversprechendes Buch. Man nehme sich Zeit, suche sich einen bequemen Stuhl und schon die Lektüre des ersten Kapitels („Statt einer Einleitung“) zieht einen mitten in das Geschehen, an „ein[en] einsame[n] Ort im Wilden Westen von Papua-Neuguinea“ hinein. [.] Zu den stärksten Lektüreeindrücken des Buches gehören die Briefe, die der Ethnologe an den Soziologen schickte, bevor dieser seinerseits diesem nachreiste. [.] Die Briefe vermitteln nicht nur das Dilemma, in dem sich der der Neutralität verpflichtete Feldforscher unversehens sieht und das er offenbar einfühlsam zu meistern und zu reflektieren versteht, sie vermitteln der Leserin auch einen ersten plastischen Eindruck von der Beziehungs- und Konfliktstruktur der Region.
(Susanne Krasmann in „Kriminologisches Journal” 36/1, 2004, 73-75)