Buch
Übersicht
Verlag | : | Panima |
Buchreihe | : | Literatur & Kunst (Bd. 2) |
Sprache | : | Deutsch |
Erschienen | : | 03. 11. 2023 |
Seiten | : | 176 |
Einband | : | Gebunden |
Höhe | : | 230 mm |
Breite | : | 160 mm |
Gewicht | : | 520 g |
ISBN | : | 9783982012643 |
Illustrationen | : | Die Künstlerin Bronislava von Podewils folgt in ihrer bildmotivischen Umsetzung den äußerst bildhaften Beschreibungen der Autorin und versucht dabei, die im Buch vorgetragene kindliche Perspektive zu spiegeln. Bronislava von Podewils erfüllt mit ihren Illustrationen alle Deutungsmöglichkeiten des Wortsinns vom lat. illustrare: erleuchten, erhellen, erklären, preisen. Gedankenskizzen und Gedankenniederschriften entstehen ständig im Kopf der Künstlerin, bereits beim Lesen des Textes. (Daniela Maier) |
Altersempfehlung | : | ab 16 |
Produktinformation
Marlen Haushofer hat ihren Roman Himmel, der nirgendwo endet als Autobiographie ihrer Kindheit bezeichnet. Unsentimental, trotzdem einfühlsam und phantasievoll erzählt sie dicht ineinander verwobene Ereignisse und Eindrücke, eigene und erfundene Erinnerungen aus jenem Reich, dem Reich der Kindheit, dessen Himmel nirgendwo endet. Sie beschreibt die entscheidenden Jahre, die das heranwachsende Mädchen prägen, in denen die ganze Welt auf Meta einstürmt und sich als großes Durcheinander offenbart, das sie in Ordnung bringen muss: "Steinchen für Steinchen setzt sie zusammen, aber selten wird etwas Rundes daraus…"
Aus der kindlich-neugierigen Perspektive stellt der Roman philosophische Fragen und regt dazu an, uns wieder auf das große Durcheinander einzulassen.
"In Himmel, der nirgendwo endet wird die kleine und unendliche, in den meisten Menschen verschüttete Welt der Kindheit zauberhaft eingefangen."
Neue Zürcher Zeitung
Leseprobe
Schon ist sie in ihrem Zimmer, drückt die Tür hinter sich zu, und
gleich darauf liegt sie auf dem Bettvorleger und liest im ›David Copperfield‹.
Meta vergißt, was geschehen ist, und das Buchstabenmeer schlägt rauschend
über ihr zusammen. Ihr Herz schlägt jetzt im kleinen David, und ihre Hand
schiebt seine schwarzen Locken aus der Stirn.
Lange Zeit später ruft Mama zum Abendessen. Das Zwitterwesen
David-Meta
wird grausam auseinandergerissen. David erstarrt zu einem flachen Bildchen,
und eine verwirrte, rotwangige Meta stolpert benommen die Stiege hinunter.
Eben war sie mitten in einem Gespräch mit Mister Dick, und jetzt
muß sie sich zu einem lächerlichen Eierschmarrn begeben. Das Leben ist ein
schreckliches Durcheinander. Man sollte sie nicht immer so plötzlich von David
trennen. Eines Tages wird sie zwischen den Buchdeckeln bleiben, und eine leere
Hülle wird am Tisch sitzen. Möglicherweise wird kein Mensch es bemerken.
Dieser Gedanke ist beängstigend.
Erst als sie mit der großen Zehe gegen die Türschwelle stößt, kommt sie
schmerzhaft zu sich. Natürlich blutet die Zehe wieder. Sie ist einfach zu lang
und dem übrigen Fuß immer ein Stückchen voraus. Aber da Meta diese Zehe
von Vater geerbt hat, ist sie geneigt, dieses Übel mit Stolz zu betrachten. Bei
Nandi ist die zweite Zehe länger, genau wie bei Mama. Vater hat Meta getröstet
und behauptet, daß nur sehr vornehme Menschen so lange Zehen besitzen.
Mama und Nandi sind offenbar nicht so vornehm. Dafür können sie nichts,
aber man darf sich ruhig ein bißchen erhaben fühlen. Runde Patschfüße kann
jeder haben, ein langer, schmaler Fuß hingegen ist wahrscheinlich der geheime
Wunschtraum aller Menschen. Sie geben es nur nicht zu. Mama zum Beispiel
gäbe ja überhaupt nie etwas zu. Alles hat eine geheime Bedeutung, und wenn
man sie erkennen könnte, wäre man weise. »Du hast spitze Knie«, sagt Mama,
»wirst wohl nie einen Mann bekommen.« Sie hat natürlich runde Knie. Vater
sagt: »Mit spitzen Knien kann man besser laufen.« Das ist entschieden wichtiger.
Meta will nicht kochen und nähen, also braucht sie auch keinen Mann.
Aber ein kleiner Stachel bleibt doch zurück. Mama sagt manchmal Dinge, die
weh tun. Meta muß sich unaufhörlich wappnen dagegen. So tut sie, als mache
sie sich nichts daraus, aber sie kann sich nie an Mamas spitze Zunge gewöhnen.