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Originalsprache : Deutsch
Genre : Tragödie
Verlag : aufbau, C. H. Beck
Buchreihe : Bibliothek Deutscher Klassiker (BDK)

Kurzbeschreibung


»Clavigo« ist ein Theaterstück von Johann Wolfgang von Goethe. 1774 wurde das literarische Werk zuerst veröffentlicht.

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Eine blasse Heldin, ein schwankender Held
1. Akt: Clavigo, der Archivar des spanischen Königs, arbeitet an einer Zeitschrift, von der er sich europäische Wirkung verspricht. Er unterhält sich darüber mit Carlos, seinem Freund, der seinen Ehrgeiz anstachelt. Man tut der Beziehung des Clavigo zu Marie Erwähnung: Clavigo mit Gewissensbissen, daß er das Mädchen hintergangen habe, weil er sich von ihr trennte anstatt sich ihr zu erklären, obwohl er bei Marie den Eindruck erzeugt hatte, ernsthafte Absichten zu verfolgen; Carlos hingegen ohne mindeste Rücksicht auf Marie, er setzt sich mit Verve allein für Clavigos Aufstieg ein.
Marie wartet zusammen mit ihrer Schwester Sophie, deren Mann Guilbert und einem Freund der Familie, Buenco, auf ihren Bruder. Marie und Sophie sind Französinnen, sie fühlen sich in Madrid ohne Fürsprecher und Marie hofft nun darauf, daß der Bruder ihre Rechte vertritt, indem er an Clavigo Rache nimmt, weil der seine feierliche Zusage einer Heirat mit Marie gebrochen und sie verlassen hat.
Der Bruder, Beaumarchais, trifft ein und will als erstes wissen, ob Marie eine Schuld an dem Vorgefallenen trifft. Als alle Anwesenden das verneinen, schwört er Rache an Clavigo.

2. Akt: Clavigo erhält Besuch von zwei Franzosen, die er zunächst offen empfängt, um sie für seine Pläne mit der europäischen Zeitschrift aufzuschließen. Beaumarchais und ein Gefährte, Saint George, um die es sich bei den Besuchern handelt, geben ihr Anliegen nicht sofort zu erkennen, sondern Beaumarchais scheint eine Geschichte zur Unterhaltung beizusteuern. Clavigo erkennt nach und nach, daß sein Besucher die Geschichte von seiner und Maries Beziehung erzählt, und von Reue gepackt, bittet er Beaumarchais um Vergebung. Der jedoch verlangt als Wiedergutmachung, daß Clavigo ein Schuldeingeständnis verfaßt, welches Beaumarchais dann veröffentlichen will. Clavigo läßt sich nach einigem Widerstreben darauf ein und Beaumarchais diktiert ihm im Beisein der Hausangestellten die Selbstbezichtigung. Clavigo kann es jedoch erreichen, daß Beaumarchais sie erst dann veröffentlichen wird, wenn es Clavigo nicht gelingen sollte, Maries Vergebung zu erlangen und sie erneut und für immer für sich zu gewinnen.
Gegenüber Carlos bekräftigt er diese Absicht und seine Gefühle für Marie.
Carlos, der sofort darauf sinnt, Beaumarchais durch eine Intrige ins Unrecht zu setzen und auszuschalten, bleibt entsetzt zurück, ist er doch überzeugt, daß Clavigo durch eine solche kleinbürgerlich-blasse Heirat seine Karriere bei Hofe zerstört.

3. Akt: Clavigo erlangt bei Marie, Sophie und Guilbert Vergebung. Besonders Guilbert reagiert nahezu euphorisch auf Clavigos Auftreten und Beteuerungen. Die Hochzeit, eher bescheiden geplant, wird ins Auge gefaßt.
Nur Buenco ist gegen diese Entwicklung der Dinge, und das nicht nur, weil er selbst Marie liebt. Buenco glaubt, daß die Unterstützer Clavigos bei Hofe gegen diese Verbindung seien und wähnt sie mächtig genug, um Beaumarchais auszuschalten und Marie und auch Sophie damit jeder Unterstützung in der Gesellschaft zu berauben. Als alle ihm widersprechen und den Glauben an Clavigos Aufrichtigkeit deutlich machen, verläßt sie Buenco resigniert.
Der von seinem Besuch beim französischen Gesandten am spanischen Hofe eintreffende Beaumarchais unterdrückt seine Zweifel und zerreißt Clavigos Schuldbekenntnis.

4. Akt: Clavigo wird von Carlos dermaßen mit Argumenten gegen eine Verbindung mit Marie befeuert, daß ihm nun selber wieder Zweifel kommen. Traf er Marie nicht krank und blaß und unattraktiv an? Liebt er sie denn überhaupt?
Carlos, der sich hier erneut als ehrgeiziger und intrigensicherer Hintermann Clavigos präsentiert, findet Gefühle oder ehrenhaftes Handeln zum Nachteil der eigenen gesellschaftlichen Stellung vollkommen fehl am Platze, ja, er beweist Clavigo, daß mit dieser Heirat nicht nur kein Vorteil zu erreichen, sondern daß damit jede Aussicht auf eine glänzende Zukunft Clavigos hin und nichtig sei.
Er nötigt Clavigo zu sofortiger Abreise an einen geheimen Ort. Er selbst wird veranlassen, daß man Beaumarchais festsetzt.
Marie zweifelt gegenüber Sophie an ihrem Glück. Sie zeigt deutliche körperliche Schwäche, das alles hat ihr Herz sehr mitgenommen.
Beaumarchais kommt und ist zutiefst beunruhigt: Clavigo ist nicht auffindbar oder läßt sich verleugnen. Und dann trifft auch noch ein Brief des französischen Gesandten ein mit der Mitteilung, daß Beaumarchais in höchster Gefahr der Verhaftung steht, denn Clavigo habe ihn der Nötigung und Bedrohung angeklagt.
Buenco trifft ein und drängt Beaumarchais zur Flucht.
Marie bricht zusammen und stirbt.

5. Akt: Clavigo gelangt des Nachts inkognito vor Maries Haus und bekommt den Leichenzug mit. Er gibt sein Inkognito auf und will die Tote sehen.
Auch Beaumarchais, der es nicht glauben kann, daß die Schwester tot ist, hat seine Flucht aufgegeben und will sie noch einmal sehen.
Er sticht Clavigo nieder, der es gewollt hat, und der sich nun mit der toten Marie vereint sieht.
Als Carlos hinzueilt, nimmt er diesem sterbend das Versprechen ab, Beaumarchais, den er erneut seinen Bruder nennt, in Sicherheit zu bringen.
Er stirbt versöhnt mit allen.




Eine ideale dramatische Form
An diesem von Goethe als Trauerspiel bezeichneten Stück besticht noch heute vor allem die Form. Es ist der dritte Akt, der zu einem Höhepunkt der Gestaltung wird. Im dritten Akt scheint alles gelöst und zum Guten gewendet – und dennoch ist er der Höhepunkt des Konflikts, der darauf zu seinem traurigen Ende geführt wird. Das ist die Kunst des Dramatikers, in der ‚guten‘ Lösung ihr Zweifelhaftes und Vorläufiges nur aufscheinen zu lassen, ohne es vorschnell zu denunzieren.
Und es ist nur die Gestalt des Clavigo, das macht gerade dieser dritte Akt deutlich, die allein noch heute von Interesse sein kann.
Clavigo ist der Intellektuelle, der Wirkung und Einfluß nur vermittels seiner Ideen und geistigen Pläne gewinnen kann, die er mit dem ihm eigenen Charisma vorträgt und umsetzt. Er besitzt weder Macht noch Geld, jene viel stabileren Zukunftsgaranten. Clavigo verhält sich je danach, von welcher Seite her er eine Sache betrachtet, er zweifelt und schwankt in seinen Entschlüssen, die nie endgültig erscheinen: der Denkende verrät...
Ohne Carlos an seiner Seite, der wie sein zweites Ich und Rückgrat ist, ist er nicht in der Lage, einem bestimmten Ziel außerhalb seiner momentanen geistigen oder emotionalen Neigung konsequent nachzugehen.
Unter den gegebenen Umständen, daß Marie eine unterprivilegierte Fremde in der spanischen Gesellschaft ist, kann dieser Konflikt nur zu einem moralischen Ende geführt werden. In den reiferen Variationen des Themas über die Stellung des Intellektuellen in der Gesellschaft findet Goethe Lösungen, die weniger moralisch, die tragisch und darum wahrhaftiger und auch heutiger sind: beim Tasso und in der Gretchen-Tragödie des Faust.



Kurzkritiken


     


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Dramatische Dichtungen II
Dramatische Dichtungen II
(Johann Wolfgang von Goethe)
C. H. Beck, 2008, 686 S., 9783406342615
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Goethes Werke
Goethes Werke
(Johann Wolfgang von Goethe)
aufbau, 1968, 6262 S.




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