Wer kennt ihn nicht, den Ritter von der traurigen Gestalt und seinen Freund und Knappen, den kleinen Dicken mit dem Esel - Don Quijote und Sancho Panza, ein Urpaar der Weltliteratur!

Die Lektüre dieses umfangreichen Klassikers liegt jetzt hinter mir und was in mir bleiben wird, sind die unverkennbaren Figuren "Don Qujote" und "Sancho Panza", "Dulcinea" genau so wie "Rossinante". Synonyme für Charakterstärken und -schwächen, die bei der bloßen Erwähnung der Namen bezeichnend wirken. So wie der "Kampf gegen die Windmühlen" unsterblich im deutschen Wortschatz verankert ist, so werden die genannten Figuren immer Bilder im Kopf suggerieren, Bilder, die jeder kennt.

Es empfiehlt sich die zumindest angerissene Beschäftigung mit der spanischen Geschichte im 17. Jahrhundert, damit man wenigstens über ein klein wenig Hintergrundwissen verfügt. Was ja bei einem Klassiker immer angeraten ist. Ich selber bin froh, dass ich vor nicht allzu langer Zeit "Mondlaub" von Tanja Kinkel gelesen habe, was sich ausführlich mit dem Rückzug der Mauren aus Spanien unter Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon beschäftigte. Ja, auch auf diese Weise führen Bücher manchmal zu Büchern und es beweist sich mal wieder: Du findest nicht das Buch, sondern das Buch findet dich!

Die geschichtlichen Hintergründe erscheinen mir deshalb wichtig, weil ich der Meinung bin, dass Cervantes mehr geschrieben hat als eine Persiflage auf die damals gängigen Ritterromane. Ich halte das Leben und Werk des ruhmreichen Don Quijote von der Mancha durchaus auch für ein gesellschaftskritisches Epos. Zum Ende seines Lebens hin zunehmend mehr dem christlichen Glauben regelrecht verfallen scheint mir dennoch der Blick des Schriftstellers etwas getrübt, was sich auch am Ende des 2. Teils seines Romans ersehen lässt. Teil 2 wurde ein Jahr vor dem Tod Cervantes' gedruckt. Besonderes Augenmerk lag also neben dem Verriss der Schundliteratur in diesem Roman meiner Meinung nach auf den Glaubenszwiespältigkeiten der damaligen Gesellschaft (der Kampf gegen Moslems und das Judentum in einem ur-katholischen und inquisitorischen Spanien). Die Vertreibung der Mauren scheint mir u. a. ein Kritikpunkt Cervantes zu sein.

Teil 1 liest sich schwierig an und das Hin- und Herspringen des Autors, dem am Anfang des Buches kein durchgehender einheitlicher Stil nachweisbar ist, erleichtert die Sache nicht unbedingt. Das Buch liest sich genau genommen wild wie das Leben Cervantes selbst. Ich gewann den Eindruck, dass Cervantes immer dann, wenn er Zeit hatte, mal schnell eben noch ein Kapitel hingeschrieben hat und das Ganze am Ende zusammen fügte. Bei Teil 2, der sich wesentlich besser lesen lässt, hatte er einfach länger zusammenhängend Zeit (Gefängnis), deshalb bleibt hier der Stil etwas einheitlicher. Es scheint, als merke man dem Autor eine gewonnene Reife an, die zu etwas mehr Besinnlichkeit und Ruhe im Alter geführt habe. Auch scheinen Cervantes die Ideen späterhin nicht mehr so "sprunghaft" zuzuhüpfen wie am Anfang des Werkes.

Insgesamt gesehen habe ich einen runden Roman gelesen, der mich allerdings thematisch nicht sonderlich gefesselt hat. Cervantes war trotz seines immensen Wortwitzes und seiner fantastischen Vielfalt nicht in der Lage, mich für das Thema zu erwärmen oder gar noch tiefer in dasselbe einzudringen bzw. Folgelektüre dazu in Anspruch zu nehmen. Stellenweise sehr schleppend erzählt und die Protagonisten nicht immer fühl- oder greifbar, waren trotzdem natürlich die Wortgewalt und die Sprachvielfalt eine lesenswerte Erfahrung.