Der schon wieder
Also mal ehrlich, wer fühlt sich nicht im „Cafe Goethe“ sitzend, von Mozartkugeln und Schillerlocken gemästet, von den Altmeistern der deutschen Klassik verfolgt. Irgendwie ist überall in Deutschland Weimar. Eigentlich nur ein Furz auf der Landkarte, aber wenn man dürfte, würde man Toilettenpapier mit Weimarlogos bedrucken. Und ziehen könnte man sich das Ganze dann aus dem Mund eines Toilettenpapierspenders, welcher Goethes Gesicht sehr nahe käme.
Das gleiche Bild in Frankfurt, Jena, Dornburg, Wörlitz, Leipzig und Ilmenau – Thüringen eigentlich als Ganzes – überall ist Klassikerland.
- in diesem Haus trank Goethe im Sommer 1778 ein Glas Milch -
Wahnsinn !!!!!
Schon im Kindergarten sehen die Kleinsten das Heidenröslein wachsen und lernen das Hexeneinmaleins. Sind sie durch diese hohle Gasse gegangen (ist nicht von Goethe) und haben sich zur Schule hochgearbeitet, wartet dort schon der Zauberlehrling auf sie, um sie zum Erlkönig zu führen. Und ob nicht dies alles schon schlimm genug wäre, stellt Faust zum Abschluss der schulischen Laufbahn auch noch die Gretchenfrage.
Es reicht, man kann und will es nicht mehr hören. Es ist einfach zu viel. – Wir sind nun 18 und haben alles hinter uns gelassen.
Viel cooler ist es nun in einem runtergekommenen, halbseidenen und verrauchten Künstlercafe in Leipzig, der Boomtown der neuen Bundesländer oder in Berlin, dann aber nur im Osten der Stadt, zu sitzen und den neuen Roman eines tibetanischen Wandermönchs, den möglichst keiner kennt, zu lesen. Und auf den neugierigen Blick unseres Nachbarn reagieren wir gönnerhaft mit dem gewichtigen Satz: „Habe ich gerade neu für mich entdeckt. – Ganz große Literatur und völlig neue Ansätze für mein eigenes Leben“.
Aber was kann eigentlich der olle Goethe für das, was wir aus ihm machen und machten?
Stellt euch vor, vor einigen Jahren auf einer Party traf ich Goethe. Er erzählte mir von seinem letzten Trip nach Italien und seinem Entschluss, zwei Jahre ins Ausland gehen zu wollen. Problem sei nur, dass seine Freundin nicht mit ihm mitkommen werde und die Beziehung nun auf dem Spiel stünde. Er aber habe für sich beschlossen, seiner inneren Stimme zu vertrauen und die Reise trotzdem zu machen.
Mein Nachbar steckte mir dann, dass es in der Beziehung eh nicht so gut laufe und wahrscheinlich Italien nur ne` Ausrede wäre. Anbrennen ließe der doch eh nichts.
Ich fragte ihn dann, was er denn noch so mache. Er sagte, er schreibe zur Zeit Geschichten und Gedichte. Hätte es auch schon mal in der Politik versucht, war aber nicht so sein Ding. Ursprünglich wollte er Naturwissenschaftler werden, betreibt dies aber nur noch so nebenbei. Momentan fühle er sich einfach in der Natur zu Hause. Großstädte habe er auch schon einige gesehen. War dann aber doch immer das Gleiche. Deswegen ja auch jetzt erst mal Italien – einfach mal Abstand bekommen und sehen was kommt. Im Übrigen arbeite er gerade an einem Buch, welches sich an den alten Urfaust anlehne. Er denke über eine Liebesgeschichte, eine Geschichte über die menschliche Verführbarkeit und dem menschlichen Streben nach Vollkommenheit und über das Scheitern nach. Wird aber wahrscheinlich alles in allem noch länger dauern, bis es fertig wird. Vielleicht werden es auch zwei Bücher.
Wenn es fertig ist, werde er mir mal ein Exemplar schicken. Er würde sich freuen, wenn ich es mal lesen würde, da er gerne Kritik hätte. Und ich versprach ihm, den Faust zu lesen.
Ich habe ihn nun gelesen und bin überrascht und fasziniert. Ein Drama, welches ich mit Sicherheit noch öfters lesen werde.