Dystopische Vision
Dieser neue Roman von Christoph Ransmayr erinnert an seinen Weltbestseller ‚Die letzte Welt‘, in dem auch die Apokalypse thematisiert wird. Nur spielt dessen Handlung, die Ovid und seine ‚Metamorphosen‘ zum Gegenstand hat, in der Zeit um Christi Geburt in einem verschlafenen Bergwerksstädten am Schwarzen Meer, während im ‚Fallmeister‘ das Geschehen etwa 200 Jahre in die Zukunft, in eine vom Klimawandel zerstörte und in Kleinstaaten zerfallene Welt verlegt wird.
Machte sich in der ‚letzten Welt‘ der Römer Cotta auf die Suche nach dem verschollenen Dichter und seinem Werk, so versucht hier der in der Ichform erzählende Protagonist seinen Vater zu finden, einen an einem reißenden Fluss tätigen Schleusenwärter, der nach einem von ihm verschuldeten spektakulären Unfall, den sein Sohn für einen Mord hält, ebenfalls verschwunden ist.
Am Wasserfall groß geworden, hat der Erzähler sich zum Hydrotechniker ausbilden lassen, arbeitet inzwischen an allen großen Strömen und Wasserbauprojekten der Welt und kann, beruflich privilegiert, ungehindert herumreisen, während der normale Bürger strengen Grenzkontrollen unterworfen ist.
Es geht in diesem Roman also um das Wasser in all seinen Erscheinungsformen, um das aufgrund seiner zunehmenden Knappheit überall gekämpft wird. Eingebaut in diese Szenerie sind die vertrackten menschlichen Beziehungen in der Familie des Fallmeisters, die inzestuöse Verbindung des Erzählers zu seiner Schwester und das herkunftsbelastete Schicksal seiner aus dem Land gejagten Mutter.
‚Ein typischer Ransmayr-Roman mit unübertroffen schönen Wortkaskaden und dann wieder zäh dahinfließenden Formulierungen‘, so in etwa lautet der überwiegende Tenor der Buchkritiken, dem man sich nur anschließen kann. Wohin der ‚Weiße Fluss‘, an dem das Unglück geschah, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, fließt, ob er, wie im Text erwähnt, ins Schwarze Meer mündet oder, naheliegender, der österreichischen Traun nachempfunden ist, die in die Donau fließt, bleibt offen.