Kafkas erstes ganzheitliches Werk, das er in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1912 in der Zeit von 10 Uhr abends bis 6 Uhr am anderen Morgen in einem Zug niedergeschrieben hat, wie er selbst in seinen Tagebüchern vermerkt. Reiner Stach schreibt im ersten Band seiner Kafka-Biographie „Die Jahre der Entscheidung“ vom Beginn einer für Kafkas gesamten Schaffensperiode charakteristischen Wellenbewegung, die durch die Begegnung mit seiner späteren Verlobten Felice Bauer, der er diese Erzählung widmet, erstmals ausgelöst worden sei.
Kafka verarbeitet hier die mehr als problematische Beziehung zu seinem Vater, von dem er sich endlich, wie überhaupt von der ganzen Familie, ja man kann schon sagen: der ganzen „Sippe“, zu emanzipieren versucht. Sein Alter Ego Georg Bendemann schafft es aber nicht, sich dem Urteil seines Vaters zu entziehen, der ihn hier zum Tode verurteilt.
Jeder Kafka-begeisterte Leser wird sich diesem Text immer wieder zuwenden müssen, weil hier die Wurzeln seines gesamten späteren Schaffens zu suchen sind. Es versteht sich von selbst, dass die Analysen und Interpretationen von "Das Urteil“ im Laufe der Zeit einen gewaltigen Umfang angenommen haben.