"Die Falschmünzer“ gilt als Gides bester Roman und zeigt sein bemerkenswertes Können als Romancier. Die Handlung wird von ungezählten Personen bestimmt und spielt, mit kurzer Unterbrechung in der Schweiz (Saas Fee), im Paris des beginnenden 20. Jahrhunderts, wo eine Reihe von Gymnasiasten aus gutbürgerlichen Elternhäusern den Aufstand probt gegen die verkrusteten Strukturen und die Verlogenheit der Gesellschaft, und dabei auch untereinander in Verstrickungen gerät. Im Mittelpunkt stehen die Familien der Juristen Profitendieu und Montier, hier vor allem die beiden Schulfreunde Bernard und Olivier, nicht zu vergessen Onkel Édouard, Schriftsteller und Halbbruder von Oliviers Mutter, sowie das Pfarrhaus und Schülerpensionat Vedel-Azaïs. Als Zwischenglieder des Geschehens rangieren der alte Klavierlehrer La Pérouse und der Modeschriftsteller Comte Robert Passavant. (Es scheint empfehlenswert, sich im Verlaufe der Lektüre ein Personenregister anzulegen).
Wenn Gide mit dem Begriff der Falschmünzerei sicher in erster Linie die Verkommenheit der Gesellschaft, vertreten auch durch einige seiner Protagonisten, ansprechen will, so lässt er es sich nicht nehmen, auch in der Handlung selbst den Tatbestand als solchen zu verankern. Die Tatsache, dass Édouard Tagebuch führt und an einem Roman schreibt, der ebenfalls den Titel „Die Falschmünzer“ tragen soll, führt zu einer völlig neuen Form der Darstellung, dem Roman im Roman.
Welche Schwierigkeiten Gide hatte, bis er endlich sein Werk fertigstellen konnte, kann man dem angeschlossenen „Tagebuch der Falschmünster“ entnehmen. Hierin tut er auch kund, wie er die einzelnen Charaktere sieht und verstanden wissen will. Als geborener Nonkonformist, bevorzugt er unter seinen Darstellern die „inkonsequenten Charaktere“, und nicht so sehr die, welche von Anfang bis Ende des Romans exakt so handeln, wie es von ihnen zu erwarten war, und die sich unter Berufung auf ihre Prinzipientreue „die Zukunft von der Vergangenheit diktieren lassen“, und dabei ihre Echtheit und Natürlichkeit verlieren.
Über weite Strecken hatte ich den Eindruck, es, zumindest ansatzweise, mit einem Bildungsroman zu tun zu haben. Vor allem die Gespräche, die Édouard mit Bernard und Olivier führt, aber auch seine vielfach eingestreuten Tagebuchnotizen, führen zu manch tiefer gehenden Erkenntnis, wenn es z. B. heisst: > was man scheint, solle man auch wert sein, und man solle nicht mehr scheinen wollen, als man wert ist < oder > ihm war weniger daran gelegen, der zu sein der er war, als vielmehr der zu werden, der er sein wollte