Ein starkes Stück
Der herausragende Kriminalfilm mit politischem Zeitbezug wurde häufig als neuzeitliches Remake des ebenfalls von Sergio Sollima (der am 01.07.2015 starb) inszenierten Meisterwerk LA RESA DEI CONTI (Der Gehetzte der Sierra Madre, 1966) bezeichnet, greift jedoch allenfalls Motive dessen auf. Sicherlich erinnert die Figurenkonstellation ein wenig an den Klassiker, die Charaktere sind aber völlig verschieden und auch vollkommen anders motiviert, wenngleich dort ebenfalls eine Polit-Allegorie vorliegt.
So ist Oliver Reeds Vito Cipriani einer der sich aus dem gewöhnlichen Polizeidienst hochgearbeitet hat und nun die Früchte seine Arbeit in einer glücklichen Ehe und einer höheren gesellschaftlichen Stellung erntet, ohne seine Herkunft vergessen zu haben. Er ist ein zutiefst integerer, nach festen moralischen Grundsätzen handelnder Mann über den das Chaos hereinbricht und der sich mit aller Macht dem Abwärtsstrudel entgegen wirft immer mit dem Ziel seine junge Frau lebend wieder zu bekommen. Fabio Testis Gewohnheitsverbrecher der Umstände wegen wirkt weit weniger gefestigt, handelt durchaus situativ, ist schlussendlich fähig, sich zu einem verantwortungsvollen Individuum zu wandeln, während Cipriani immer öfter bereit ist, seine moralischen Grenzen zielorientiert zu erweitern, wenn es ihm nötig erscheint.
Das rückt den Film in die Nähe von Sollimas zweitem Western FACCIA A FACCIA (Von Angesicht zu Angesicht, 1967). Mit fortschreitender Laufzeit offenbaren die Charaktere wie da immer mehr Ambivalenz, Regisseur Sollima erliegt nie der Versuchung dies auszuschlachten, bleibt immer nah dran und auf dem Boden der Realität. Nebenbei funktioniert REVOLVER nicht nur als packender Krimi, sondern ebenso vorzüglich als Psychostudie zweier Kinder ihrer bleiernen Zeit zwischen Terrorangst, politischer Abhängigkeit und organisiertem Verbrechen, was ihn zeitlos aktuell macht, bis zum bitteren Ende, das einen sprachlos zurücklässt. Lange schon hat mich kein Film mehr so gepackt.