„Jonglieren mit Blut und Feuer“
Das von Sean Penn verfilmte Leben des Alex besticht durch schier kongeniale Landschaftsaufnahmen und ein perfekt abgestimmtes Farbe-Licht- sowie Bild-Ton-Verhältnis, wodurch der Film der inhaltlichen Authentizität auch technisch adäquat gerecht wird. Die episodisch aufgebaute Geschichte lebt von konventionellen audiovisuellen Mitteln, die es (und das führt der Film eindrucksvoll vor) jedoch nichtsdestoweniger zu beherrschen gilt: etwa Schauspiel (vgl. v.a. Emile Hirsch als Christopher McCandless), Dialog (vgl. z.B. die nicht zu toppenden Szenen mit Hal Holbrook) und Symbol (vgl. u.a. psychologische, technische, landschaftliche, literarische usw. Signifikanten, welche als internes Referenzsystem problemlos mit popkulturellen Einbrüchen wie Nirvana-Plattencovern und Fred-Feuerstein-Reminiszenzen gekoppelt werden).
Inhaltlich ist der Film auf eine aufrichtige Weise gesellschaftskritisch, weil er biographische Gegebenheiten nicht einfach leichtsinnig mittels ideologischer Schlussfolgerungen untermauert, sondern auf assoziativer Ebene v.a. durch Allusions- und Überblendungsarbeit kommentiert – dies aber kontinuierlich. Eindringliches Beispiel hierfür ist die Elch-Tötungsszene (also das Schlachten von Großwild), welche ca. in der Mitte der Story angesiedelt ist und vor Augen führt, wie viel Know-how und technisches Können dahinter stecken und! Ritual und Ehrfurcht zwangsläufig damit einhergehen: „Hier war deutlich eine Macht zu spüren, die keinen Anlass hatte, den Menschen freundlich gesinnt zu sein. Es war ein Ort des Heidentums und abergläubischer Riten – besser geeignet für Menschen, die dem Fels und den wilden Tieren verwandter waren als wir.“ Diese Szene schließt sich unmittelbar an den – exakt in der Filmmitte positionierten und vom technischen Symbol „Eisenbahn“ flankierten – Zwischenaufenthalt in der Stadt an, welcher das Realsymbol „Penner“ (also konkret vertriebene Menschen) und u.a. auch den Fast-Food-Wahnsinn thematisiert. Indem die Elch-Tötungsszene wiederum mit einem rollenden Zug in Untersicht zum nächsten Kapitel überleitet, wird eine kommentierende Klammer mit tatsächlichem Mehrwert geschaffen – sicherlich oldschool, aber beeindruckend.
Fazit: „Into the Wild“ ist ein Film, der wirklich unter die Haut geht und der – weit davon entfernt, modernistisch zu sein – absolut modern ist. Die (etwas peinlich wirkende) jesuanische Komponente, welche dem Protagonisten v.a. gegen Ende angerechnet wird, und der Rückgriff auf (immerhin lediglich) einen einzigen Computereffekt sind da wirklich nur das Haar in der Suppe.