SHOW THE TRUTH!
Für seinen zweiten Kinofilm als Regisseur und Hauptdarsteller suchte Tommy Lee Jones (der erste war "The Three Burials of Melquiades Estrada", 2005), den man mittlerweile auch das schlechte Gewissen Amerikas nennt, eine Story über die Stellung der Frau in der Geschichte der USA und fand sie im Roman THE HOMESMAN (1988) von Glendon Swarthout ("They Came to Cordura", 1958), der jüngst auch auf Deutsch bei Heyne erschienen ist. Jones wagte sich mit Unterstützung von Kieran Fitzgerald und Wesley Oliver selbst an die Adaption, als Produzent wurde Luc Besson an Bord geholt, die passenden Landschaften fand man in New Mexico.
In der Hauptrolle der Mary Bee Cuddy sehen wir eine einmal mehr eindrucksvoll aufspielende Hilary Swank, die ihrem Katalog an erinnerungswürdigen Frauenfiguren, wie bspw. der Maggie Fitzgerald aus Clint Eastwood's MILLION DOLLAR BABY (2004), eine weitere hinzufügt. Ihre Mary Bee ist fraglos der aufgeschlossenste und intelligenteste Mensch der Siedlung und zudem die Einzige die angesichts der schlimmen Schicksale Haltung bewahrt und dabei menschlich bleibt, ohne sich irgendwann selbst zu verraten. So ist es auch nur konsequent von ihr, sich selbst auf die Reise zu machen, koste es, was es wolle. Einen Partner der zunächst unfreiwillig und gezwungenermaßen zu ihr stösst und später aus Eigennutz bei ihr bleibt, der aber irgendwann über sich hinaus wächst, gibt Tommy Lee Jones als knurrigen Kauz, dessen richtigen Namen wir nie erfahren. In weiteren der prominent besetzten Nebenrollen sehen wir Tim Blake Nelson, James Spader und die unvergleichliche Meryl Streep mit einem kleinen aber feinen Auftritt.
Feministen-Western wurde THE HOMESMAN nach der Premiere genannt, etwas das nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig ist. Man konnte zuletzt in dem Indie-Juwel MEEK'S CUTOFF von Kelly Reichardt (2010) bereits eine Geschichte über einen Siedlertreck ganz aus der Sicht der Pionier-Frauen sehen, welche auf Tagebüchern jener Zeit basierte. Auch Jones orientierte sich an derartiger Leküre, alten Zeichnungen und Fotos, doch sein Werk beschreitet ohne klassisch daher zu kommen durchaus traditionellere Pfade als das spröde Kleinod. Wenn John Ford proklamierte: PRINT THE LEGEND!, so scheint Tommy Lee Jones zu antworten: SHOW THE TRUTH!, allerdings auf sehr unprätentiöse Weise, auf Realismus achtend ohne belehrend zu sein, ohne Verklärung und vor allem mit bitterer Konsequenz. Das er darüber den Humor nicht vernachlässigt, erscheint weise und macht seinen Film noch liebenswerter und nachhaltiger. Wehrt sich der Regisseur auch gegen die Bezeichnung WESTERN und erklärte das er einen Historienfilm im Sinn hatte, so gelang ihm hier einer der traurigsten und zugleich schönsten Genre-Beiträge der jüngeren Zeit, voller Herzenswärme und Poesie (bei aller, zum Teil verstörenden Härte). Die folkloristische musikalische Untermalung von Marco Beltrami sollte an dieser Stelle unbedingt noch Erwähnung finden, da sie zu einem beträchtlichen Teil, ohne aufdringlich zu sein, zum stimmigen Gesamtbild beiträgt.