Ein Theaterstück, oder besser: „dramatisches Gedicht“, das völlig zweifelsfrei eines der Flaggschiffe deutscher Literatur war und ist. Es ist schade, dass es im Schulunterricht völlig deppert in seiner Komplexität entwertet und in seinem Aussagegehalt verfälscht wird. Zudem entgeht einem ohne die Kenntnis des vorangegangen Fragmentenstreits und der im Jahr zuvor veröffentlichten „Erziehung des Menschgeschlechts“ – welche Wahrheit eben nicht nur richtigerweise vermoralisiert, sondern auch teleologisiert und somit wiederum prinzipiell verabsolutiert – ein wichtiger Kontext, der das Stück neben seiner brillanten Immanenz auch für die gesellschaftliche und populärphilosophische Entwicklung der „bürgerlichen“ Gesellschaft als Schlüsseltext klassifiziert. Walter Jens traf über den „Nathan“ eine Aussage, der man einfach zustimmen muss: „[E]s (gibt) in der Tat kein Stück der deutschen Literatur […], das, trotz der Pogrom-Szene, trotz der theologischen Subtilitäten, trotz aller philosophischen, ökonomischen und genealogischen Dispute, so witzig, geistreich, ironisch, vertrackt und amüsant ist wie ,Nathan der Weiseʻ“. Fazit: Goethes „Faust“ ist gut, Lessings „Nathan“ besser.