Der bessere Dan Brown
Drei Mailänder Verlagslektoren beschäftigen sich Berufs wegen mit der Kabbala und Verschwörungstheorien. Bald wird ihnen ein Dokument zugespielt, das Rätsel aufgibt und die Skeptiker fangen selbst an, ihren „Großen Plan“ zu tüfteln. Dieser stellt sich als wahr heraus und zum Schluss wird nur einer der Protagonisten überleben. In diesem Krimi-Plot scheint eine genuin postmoderne Qualität durch: Fiktion wird Realität. Damit beginnt im Grunde schon das Buch, denn die „Nachts-im-Museum“-Episode gerät von einer (fast) endlos langen Inventurliste zur historischen (Artefakten-)Bühne, auf der sich Dampfmaschine und Papyrusrolle Guten Tag sagen. Der personale Erzähler Casaubon, dessen Dissertation in einer Abhandlung über die historisch belegbaren Fakten zum Templerorden besteht, entwickelt in der Folge ein Verständnis für all diese „facies hermetica“, deren Manuskripte er täglich auf ihren Gehalt überprüfen muss, denn ihm wird klar: Auch diese Verschwörungstypen suchen nur eine Antwort und dieses Wissen um Nicht-Wissen ist, da es nach Antworten sucht, wahr. Diese philosophische Ebene, die besagt, dass eine formulierte Sinn-Hypothese Realität werden kann, wenn sie akzeptiert wird, macht den Roman interessant, denn was ist schon ein Vakuum oder das Nichts? Nichts. Es gibt nur „wunderbare Enthüllungen über das Verhältnis von Makro- und Mikrokosmos“! An diesem Punkt setzt allerdings auch eine geradezu manieristische Exkursionsreihe in die Wissenschafts- und Wissensgeschichte ein, die nur Umberto Eco in dieser Form massentauglich feilbieten kann, weil er über den ganzen Quellen, die er studiert hat, nicht nur Mediävist, Semiotiker und und und geworden ist, sondern auch weise, dergestalt, dass es keinen Unterschied macht, ob er gerade eine Liebesgeschichte oder die „Geschichte der Metalle“ erzählt – man hört eben andächtig zu. Was einen die 826 eng bedruckten Seiten zudem geschmeidig passieren lässt, sind die ermutigend kurzen Kapitelchen, die literarischen Anspielungen en masse (mein klarer Favorit hier: Frontalzusammenstoß mit Pudel), die interessanten Charaktere, welche mit (fast zu) präziser Zeichnung dargestellt sind (Stichwort: makellose und ökonomische Informationsvergabe), die Schilderungen exklusiver wie exzentrischer Initiationsriten (auch hier gibt es einen Favoriten: Flucht zweier Homunkuli aus ihren Reagenzgläsern) und die regelmäßig für Abwechslung sorgenden „Files“ von Belbo – ihrerseits wahnwitzige Schreibexperimente am PC.
Fazit: „Das Foucaultsche Pendel“ ist für Liebhaber historischer Romane ein absolutes Muss und für Dan-Brown-Genervte eine wunderbare und literarische! Alternative zu diesem ganzen Illuminati-Gedöns. Darüber hinaus haben wir es hier mit einem Buch zu tun, das endlich mal vernünftige Fragen stellt und zu dem Ergebnis kommt: „die Wahrheit ist sehr kurz, hinterher ist alles nur Kommentar“.