Ungedankte Vaterliebe
In seinem Werk,der „Comédie Humaine“ schildert Balzac die Verkommenheit, die Kälte und den Egoismus der französischen Gesellschaft in den nachnapoleonischen Jahren.
Auch in diesem Roman aus seinem Zyklus gelingt es ihm mit viel Gespür für die menschlichen Schwächen am Beispiel der beiden Töchter Goriots, aber auch der Pensionswirtin Mdm. Vauquer und ihrer Gäste, dieser Epoche die Maske der Habgier vom Gesicht zu reissen.
Vergleichbar mit seinen beiden Romanen „Verlorenen Illusionen“ und „Glanz und Elend der Kurtisanen“ lässt er in der Figur des Eugène de Rastignac - in den vorgenannten Werken war es Lucien de Rubempré, alias Chardon - den jungen aufstrebenden Mann aus der Provinz in Paris sein Glück suchen, um ihn letztlich deprimierend feststellen zu lassen, wie enttäuschend sich die Wirklichkeit darstellt. Diese Wirklichkeit wird u.a. auch durch die Gestalt des Pensionsgastes Vautrin verkörpert, einem 40-jährigen, dem Bagno entsprungenen Sträfling, der Eugene für seine Zwecke einzuspannen versucht, was ihm jedoch auf halbem Wege durch die Geldgier einer anderen Mitbewohnerin, die ihn an die Polizei verrät, misslingt.
Tragisch endet der dem Roman seinen Namen gebende Vater Goriot, der vom Ehrgeiz und Egoismus seiner beiden Töchter, denen er durch die aufopferungsvolle Hingabe seines gesamten Vermögens ihre Heirat in die höhere Gesellschaft erst ermöglicht hat, vergessen, krank und einsam in seinem heruntergekommenen Pensionszimmer stirbt. Nicht einmal an seinem Sterbebett erscheinen seine Kinder, die, bedrängt auch von ihren Ehemännern, die den „Emporkömmling“ schon zu Lebzeiten aus ihren Häusern verbannt hatten, die tiefe Zuneigung ihres Vaters nie erwidern konnten und wollten.