Justiz
Der italienische Meisterregisseur Ettore Scola macht aus Friedrich Dürrenmatt's Erzählung ein wahres Kunstwerk voller Anspielungen auf die Fassade der gutbürgerlichen Gesellschaft, hinter deren Oberfläche sich, ganz im Sinne des Autor's, ein gar durchlässiges Geflecht aus Scheinmoral und Böswilligkeit befindet, welches nur noch von der gnadenlos vorgeführten Dummheit des "normalen" Bürgers übertroffen wird. Die Justitiare im Ruhestand sind besetzt mit der alten Garde des französischen Films, Michel Simon als Staatsanwalt Zorn, Charles Vanel als Richter Lutz, Claude Dauphin als Gerichtsschreiber Bouisson und Pierre Brasseur als Graf De La Brunetière, den Handelsvertreter spielt der italienische Komiker Alberto Sordi, der seine unsympathisch angelegte Figur dermaßen überzeichnet, das man irgendwann nur noch Mitleid mit ihm empfinden muss. Im Schloß hängt schonmal ein Dürrenmatt-Portrait an der Wand, was umgehend kommentiert wird und auch sonst wird gerne mal mit der filmischen Realität gebrochen. Versiert vermischt Scola die Genres, startet klamottig, wird dann zur komödiantische Krimikomödie, nur um dann in eine schauerliche Horrorgroteske zu münden ohne den immer wieder propagierten lauten Witz zu vernachlässigen, der durch die Hauptfigur über die gesamte Laufzeit vorherrscht. In seiner Anlage dem Werk Luis Buñuel's nicht unähnlich, wirkt Scolas Film noch moderner und verrückter, obgleich er gerade in den langen Dialogszenen während des Abendmahls höchste Aufmerksamkeit einfordert. Eine Aufmerksamkeit die aufzubringen sich lohnt.