Psychologisches Sittengemälde um die vorige Jahrhundertwende
Dieses psychologisch tiefschürfende Beinahe-Drama stellt einen der Höhepunkte unter Stefan Zweigs ersten Erzählungen zu Beginn des letzten Jahrhunderts dar und zeigt mustergültig die beklemmenden gesellschaftlichen Verhältnisse im gutbürgerlichen Wiener Milieu.
Der Ehemann der Protagonistin, ein beruflich höchstengagierter und dadurch seine Familie vernachlässigender Durch durch-Jurist, setzt, nachdem er von dem Verhältnis seiner Frau mit einem jungen Pianisten erfahren hat, eine ehemalige Schauspielerin auf deren Fährte, um sie erpressen zu lassen und dadurch zu einem Geständnis ihres Fehltritts zu zwingen.
Nachdem am Ende der Erzählung alles aufgeklärt scheint, stellt man sich als Leser die Frage nach der Schuld beider Ehepartner an diesen Geschehnissen. Einerseits ist Irene innerlich derart in ihren Ehebruch verwoben, dass sie diesen schon als bürgerliche Normalität einzuordnen versucht, indem sie stets bereits im Voraus gezielt nach Ausreden gegenüber ihrem Mann sucht, sollte dieser unangenehme Fragen stellen. Die Flucht aus dem eintönig ablaufenden Ehealltag zeugt von ihren stark empfundenen individuellen Defiziten und erscheint durchaus nachvollziehbar.
Ihr Mann hingegen sieht sich, nachdem er von ihrem Verhältnis erfahren hat, auf der richtigen und gerechten Seite und versucht, durch ein erzwungenes Geständnis seiner Frau die Oberhand zu behalten. Dabei nimmt er die von ihm angezettelte kriminelle Handlung der Erpressung voyeurhaft billigend in Kauf; vor allem aber mutet er seiner Frau diese Intrige zu, fest davon überzeugt, durch ihr Geständnis ihre Ehe wieder in geordnete Bahnen lenken zu können. Seine verschiedenen Versuche, bei anderen Gelegenheiten ihr das Geständnis abzuringen, so z.B. als es ihm gelingt, in ihrer Gegenwart das Töchterchen, welches das Holzspielzeug ihres Bruders aus Missgunst und Neid im Kamin verbrannt hatte, zur Beichte zu veranlassen und ihr dann die Bestrafung erlässt, schlagen aber fehl.
Auch wenn er ihr letztlich seine Machenschaften gesteht, dürfte dieser Ehe keine weitere glückliche Zukunft beschieden sein.