One Shot
Nach diesem für sich genommen schon mörderisch spannenden und zugleich schockierendem Auftakt, der es in Sachen Ausweglosigkeit locker mit Peter Bogdanovich's legendärem Debütfilm TARGETS aufnehmen kann, beginnt ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel in dessen Verlauf die Geschichte so manchen Haken schlägt und dabei höchste Aufmerksamkeit einfordert. Jeder Satz, jedes gesprochene Wort bekommt im Fortlauf der Handlung eine Bedeutung. An dieser Stelle merkt man bereits das man es hier mitnichten mit einem Action-Thriller im herkömmlichen Sinne zu tun hat. Nein, es bleibt ausgewogen. Das Wort ist hier ebenso wichtig wie die Tat. Das soll nun auch nicht heißen das es bei JACK REACHER keine Action gäbe, nur steht sie ausschließlich im Dienst der Handlung, wird nicht mehr als nötig ausgeschmückt und kommt trotzdem wuchtiger daher als in vergleichbaren Filmen. Der Grundton des Filmes ist schwermütig und düster, ohne dabei effekthascherisch und blutig zu sein. Ein Blick auf die Vita des Regisseurs klärt auf. Christopher McQuarrie gewann einst den Oscar für sein Drehbuch zu THE USUAL SUSPECTS und inszenierte später die blutige, überaus gelungene Peckinpah-Hommage WAY OF THE GUN, die allerdings kaum jemand gesehen hat und arbeitete anschließend wieder fast ausschließlich für Bryan Singer, mit dem er die OPERATION WALKÜRE stemmte und so auf Tom Cruise traf. Als das Projekt JACK REACHER, welches ursprünglich ONE SHOT hieß (Drehbuch von C. McQuarrie nach der Romanvorlage von Lee Childs, dessen übertriebene Macho-Spielereien uns im Film dankenswerterweise erspart bleiben), in die Gänge kam, dachte man zunächst an ein weiteres Star-Vehikel für Tom Cruise, welches seine langsam an Möglichkeiten ärmer werdende Karriere für einige weitere Jahre sichern sollte. Mit der Verfilmung eines Bandes der erfolgreichen Bestseller-Reihe um den superheldenähnlichen Ex-Militärpolizisten Jack Reacher des Bestseller-Autoren Childs, schien der Weg ins nächste Franchise geebnet, der Erfolg vorprogrammiert. Das allgemeine Interesse hielt sich in überschaubaren Grenzen, die Erwartungshaltung ebenfalls. Doch jetzt die Überraschung. JACK REACHER ist weit entfernt von Hollywoods zeitgenössischem Action-Einerlei, Thriller werden ohnehin kaum noch gedreht. Um nicht wieder die Floskel "wohltuend altmodisch" zu verwenden, nenne ich JACK REACHER mal einen klassischen Kriminal-Thriller in der Tradition der Filme wie sie beispielsweise Paul Newman im den sechziger und siebziger Jahren drehte. John Huston's MACKINTOSH-MANN fällt mir da ebenso ein wie die HARPER-Filme, alles Filme mit einer sehr komplexen Handlung, hervorragenden Dialogen und äußerst ambivalenten Charakteren. Nicht die schlechtesten Referenzen für einen Film neuerer Bauart, aber nicht unbedingt etwas für die breite Masse, die ein Star wie Tom Cruise gewöhnlich anpeilt. Cruise Control ist auch bei JACK REACHER das Stichwort, der Star produzierte sich selbst in der Hauptrolle, landete mindestens einen echten Besetzungscoup mit der Verpflichtung der deutschen Regie-Legende Werner Herzog als Bösewicht. Auch die restliche Besetzung kann sich sehen lassen. Ex-Bond-Girl Rosamund Pike, Richard Jenkins und natürlich der unvergleichliche Robert Duvall, um nur einige zu nennen. Zentrum des Filmes bleibt jedoch Tom Cruise, der hier so konzentriert aufspielt wie schon lange nicht mehr. Seine Darstellung des (Anti-)Helden war für mich einer seiner stärksten Auftritte der vergangenen Dekade, eine Leistung an die er kurze Zeit später mit OBLIVION noch einmal anknüpfte. Das Cruise nicht nur ein Star sondern auch ein guter Schauspieler sein kann, geriet in letzter Zeit häufig in Vergessenheit. Mit der Performance in JACK REACHER präsentiert er sich jedenfalls in Bestform. Erfreulicherweise ging die Mischung aus Qualität und Starpower dann auch an den Kinokassen auf, so das einer Fortsetzung nichts mehr im Wege steht. Bitte gerne.