Die wilden Zwanziger
Beinahe vierzig Jahre ist es her, das Jack Clayton bei Kritik und Publikum mit seiner Verfilmung des berühmten Romans von F. Scott Fitzgerald baden ging und Robert Redford als Jay Gatsby im pinken Anzug um die Liebe von Mia Farrows Daisy buhlte. Ein Film, mittlerweile rehabilitiert, der mit kühler Distanz und ruhigem Erzählfluß die stille Tragik der Geschichte unterstreicht. Robert Redford gibt Jay Gatsby distinguiert und irgendwie unnahbar, dabei bedrohlich, so das man glauben würde, er habe wirklich mal jemanden umgebracht, was er im übrigen an einer Stelle des Filmes nicht verneint. Sam Waterstone spielt den Erzähler Carraway zurückhaltend und manchmal launig als einen jedermann, der längst schon dem jugendlichen Leichtsinn entwachsen durchaus anfällig für das freundschaftliche Garn Gatsbys wird, mit dem er bald ein tiefes Grundverständnis teilt. Mia Farrow wirkte auf mich, wie so oft, etwas entrückt und leicht neben der Spur, ein Punkt der Redfords Hartnäckigkeit etwas untergräbt. Bruce Dern kann da deutlich mehr Mitgefühl auslösen. Sein Tom ist zwar ein stockkonservativer Machtmensch, doch Dern verleiht ihm eine intellektuelle Note, die ihm eine gewisse Ambivalenz zugesteht und ihn dadurch nicht gänzlich unsympathisch werden lässt. In den wichtigen Nebenrollen der Wilsons sehen wir eine einmal mehr herausragende Karen Black, die das Maximum aus ihrer Figur von Tom's geliebter Myrtle herausholt. Einer Figur, die an der Seite ihres Ehemannes verkümmert, aber im Seitensprung ihren Lebenssinn findet, da sie hier ihre Daseinsfreude voll ausleben kann. Ihren Mann George spielt Scott Wilson als einen am unteren Ende der Gesellschaft angekommenen, der Verzweiflung nahen Tankstellenbesitzer, der nur noch durch seinen Glauben an Gott und die Liebe zu seiner Frau existieren kann. Gatsby's Geschäftspartner Meyer Wolfsheim, eine Anlehnung an den berüchtigten Ace Rothstein, wird dargestellt von Howard Da Silva.
Jack Claytons Film lässt genügend Raum für Interpretationen, übt subtil Kritik am Klassensystem und rückt dabei die Charaktere in den Mittelpunkt, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Douglas Slocombe's Kamera kleidet den Film oft in weichzeichnerische Bilder, ein Stil der dem Film nicht unbedingt schadet, aber dankenswerter Weise nicht dominiert. Jazz-Legende Nelson Riddle's Arrangements lassen den Sound der Zwanziger mit vielen bekannten und beliebten Jazz-Standards wieder aufleben. Im Zuge der Neuverfilmung lohnt die Wiederentdeckung dieses meisterhaft inszenierten Filmes, der wesentlich ruhiger und konzentrierter daherkommt als Baz Luhrmann's Version, die dem Affen gehörig Zucker gibt und gerade deshalb ganz anders ist, jedoch nicht schlechter. Lohnt sich.