Reißende Wasser
Nachdem sich Curtis Hanson Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger Jahre mit einigen hervorragenden Thrillern wie BAD INFLUENCE (1990) einen Namen gemacht hatte, fiel die Wahl Meryl Streeps, die endlich mal einen Action-Film drehen wollte, auf den aufstrebenden Regisseur. Hitchcock-Verehrer Hanson erweist sich als absoluter Glücksgriff, der die Lehren des Suspense-Großmeisters begriffen hat. Ähnlich wie dieser in bspw. THE MAN WHO KNEW TOO MUCH (1956), stellt Hanson eine gutbürgerliche amerikanische Familie in den Mittelpunkt seiner in bester Erzähltradition vorgeführten Geschichte. Gail und Tom sind ein Paar welches Probleme hat, die im Angesicht der Gefahr dem Familienzusammenhalt weichen. Sie bilden eine Wertegemeinschaft die sich absolut gleichberechtigt jederzeit auf Augenhöhe begegnet. Die glaubwürdige und subtil gespielte Beziehung der beiden bildet das Fundament für diesen Thriller, dessen inszenatorische Dichte keinerlei Ballast aufweist. Man ahnt natürlich was da auf den geneigten Zuschauer zukommen wird, ist es schließlich Kevin Bacon, hinter dessen freundlichstem Grinsen auch immer eine gewisse Unwägbarkeit lauert. Dennoch entwickelt sich die Story erstaunlich unvorhersehbar, von einigen Suspense-Standards abgesehen. Und das in den heutigen, scheinbar immer zynischer werdenden Zeiten der Familienhund überlebt, ist (vor allem für Hundebesitzer) schön zu sehen. So etwas kommt ja im zeitgenössischen Kino kaum noch vor. Eingebettet in eine grandiose, zudem von Kameramann Robert Elswit erlesen gefilmte Naturkulisse, wird die atemberaubende Landschaft zum dritten Hauptdarsteller und auch konsequent genutzt. Das wiederum erinnert an die Filme Anthony Manns, der die Natur ebenfalls nicht nur als schön anzusehende Kulisse nutzte. Der wunderschöne klassische Soundtrack stammt von Altmeister Jerry Goldsmith. Die großartige Meryl Streep führt das überschaubare Darsteller-Ensemble mit Bravour und einer Leichtigkeit, die ein wenig bedauern lässt, das Frau Streep nicht mehr Filme dieses Genres gemacht hat. Der stille Star an ihrer Seite ist David Strathairn der mit seiner zurückhaltenden aber aufrechten Art ein wenig an Gary Cooper erinnert. Kevin Bacon und John C. Reilly, hier noch schlank, harmonieren prächtig als Verbrecher-Duo auf der Flucht, wobei Bacon klar die stärkeren Akzente setzen kann. Insgesamt ist THE RIVER WILD - AM WILDEN FLUß eine überaus gelungene Angelegenheit für alle Beteiligten, ein Familien-Thriller von höchst professioneller Machart. Curtis Hanson drehte danach, nun bestens geschult in Thrill und Action, sein Opus Magnum L.A. CONFIDENTIAL. Wer sich also für handgemachte Old-School-Thriller in der Tradition von MÖRDERISCHER VORSPRUNG (Roger Spottiswoode 1988) oder AUF MESSERS SCHNEIDE (Lee Tamahori, 1997) begeistern kann, sollte unbedingt einen Blick riskieren.