Life Is A Party … Crash It!
Beinahe vierzig Jahre ist es her, das Jack Clayton bei Kritik und Publikum mit seiner Verfilmung des berühmten Romans von F. Scott Fitzgerald baden ging und Robert Redford als Jay Gatsby im pinken Anzug um die Liebe von Mia Farrows Daisy buhlte. Der Film ist mittlerweile rehabilitiert, der Roman sowieso zeitlos. Aus welchem Grund der Stoff so zeitlos ist, beweist der australische Regie-Zampano Baz Luhrmann mit seiner abgefahrenen Neu-Interpretation des klassischen Stoffes, in der er alles anders macht als Clayton und trotzdem alles richtig. Luhrmann wagt sich weit vor, scheut sich nicht vor dickem Pinsel und schrillen Albernheiten, schafft einschneidende Veränderungen, Verschiebungen, spielt mit neuen Einschüben und Auslassungen und bringt die Geschichte trotz geradezu überbordendem Detailreichtum in der gleichem Lauflänge von zwei und einer Viertelstunde nach Hause, ebenso lang wie der Vorgängerfilm, der mit kühler Distanz und ruhigem Erzählfluß die stille Tragik der Geschichte unterstrich, während die neue Version mit wild wirbelnder Kamera und gestochen scharfer 3D-Optik ein visuelles Feuerwerk anzündet welches den Zuschauer überwältigt und sprachlos macht.

Dabei soll man nun nicht glauben, Luhrmann lasse hierbei jeden Tiefgang vermissen und liefere einen Film der Oberfläche. Im Gegenteil. Er stellt die Figuren anders auf, lässt sein Star-Ensemble hochemotional spielen und ebenso ausgelassen Feiern, gibt den Charakteren eine völlig andere Haltung und vergisst darüber jedoch nicht die Aussage der Vorlage zu berücksichtigen. Zwischen all den Schauwerten und Reizen schimmert immer wieder die tragische Tiefe hervor, die Luhrmann erst im letzten Drittel zur vollen Entfaltung bringt. Sein Ensemble ist erstklassig.

Allen voran ist Leonardo Di Caprio zu nennen, dessen Gatsby im Gegensatz zum distinguierten Redford ein charismatischer Alleskönner voller Lebensfreude und unbeschreiblichen Charme ist, der zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt alle Register der Klaviatur der Schauspielkunst zieht. Allein seine Darstellung ist ein wahrer Triumph und die Eintrittskarte wert. Im Zusammenspiel mit Tobey Maguire, dessen Nick Carraway sogar eine Rahmenhandlung spendiert bekommt, überträgt sich die Harmonie der auch privat befreundeten Stars uneingeschränkt auf das Publikum. Maguire wirkt dabei ein wenig wie eine desillusionierte Version Peter Parkers, in dessen Herzen eine aufrichtige Naivität wohnt, der aber im Erwachsenenleben angekommen und gezwungen ist, mit den veränderten Lebensumständen zurecht zu kommen. Sam Waterstone spielte die Figur 1974 deutlich zurückhaltender, wenn auch nicht weniger treffend. Carey Mulligan in der Rolle von Gatsby's Herzensdame Daisy gewinnt den Vergleich mit Mia Farrow indem sie anders als diese ihre Figur deutlich sympathischer und liebenswerter anlegt. Ein Punkt, den man für Joel Edgerton nicht ins Feld führen kann. Sein Tom Buchanan ist ein grobschlächtiger Übermacho, der mit seinen Aggressionen ständig auf Messer's Schneide tänzelt und über dessen Verderbtheit kein Zweifel aufkommt. Bruce Dern konnte da deutlich mehr Mitgefühl auslösen. Auch ließ Jack Claytons Film mehr Raum für Interpretation während Luhrmann die Gesellschaft deutlicher kritisiert und zeichnet. In den wichtigen Nebenrollen der Wilsons sehen wir Isla Fisher und Jason Clarke, die beide gut spielen, aber insgesamt leider etwas vernachlässigt werden. Kurios zu nennen wäre die Besetzung von Indiens Superstar Amitabh Bachchan als Gatsby's Geschäftspartner Meyer Wolfsheim, der allerdings sehr süffisant spielt.

Wurde die 74er Version noch von Jazz-Legende Nelson Riddle musikalisch untermalt und arrangiert, fällt diese Aufgabe hier Jay-Z und Craig Armstrong zu, die eine für Luhrmann's Filme schon typische ganz spezielle Mischung kreieren, mit der mancher seine Probleme haben wird, mir jedoch durchaus passend erschien und viel Freude bereitet hat. Die Kamera-Arbeit ist brilliant, die Ausstattung sowieso. Derartig stilvoll wurde selten auf der Leinwand gefeiert und gelitten. Ein Augenschmaus.

Schlussendlich kann man sagen, das uns Baz Luhrmann nicht nur einen Remix oder ein Update eines der bekanntesten amerikanischen Romane des vergangenen Jahrhunderts serviert, sondern zugleich die zeitlose Aktualität der Vorlage verdeutlicht, indem er den Vergleich der Party-People der Roaring Twentys und der feierwütigen Generation Spaß von heute überdeutlich zieht. Das bei all den Oberflächenreizen die Individualität des Einzelnen flöten zu gehen droht, thematisiert er ebenso intelligent wie die auseinanderklaffende Schere der gesellschaftlichen Klassen.