Der Anfang vom Ende
Fälschlicherweise als Horrorfilm vermarktet startet VINYAN als Drama über die Suche nach dem sprichwörtlich verlorenen Sohn. Wir werden nicht lange auf die Figuren oder die Geschichte eingeschworen, vielmehr wirft uns Fabrice Du Welz direkt in das Geschehen hinein. Erklärungen ergeben sich im Verlauf des Filmes von allein. Der Fokus des Autors/Regisseurs liegt dabei eindeutig auf den beiden Hauptcharakteren und deren Psyche. Dabei kann er sich ganz auf seine perfekt gewählten Protagonisten verlassen. Während Emmanuelle Béart als Jeanne eine völlig verzweifelte Frau am Abgrund bis zur Selbstaufgabe verkörpert, die je länger die Suche andauert immer mehr den Blick für die Realität verliert und sich in Wunschvorstellungen und wahnhaften Halluzinationen verliert, versucht Rufus Sewell als Paul einen kühlen Kopf zu bewahren und obgleich immer wieder völlig machtlos den vorherrschenden Umständen ausgeliefert, die Kontrolle über die Situation zu behalten, obwohl er schon lange nicht mehr an einen Erfolg glaubt und die Strapazen eigentlich nur noch für seine Frau und ihren Seelenfrieden auf sich nimmt.

Fabrice Du Welz arbeitet dabei konsequent mit der Handkamera und bleibt so ganz nah an den Personen. Alles was passiert, geschieht unmittelbar und wirkt absolut authentisch. Gebrochen wird das immer wieder von Traum- oder Halluzinations-Sequenzen, die künstlich verfremdet scheinen, aber real gefilmt sind, oft surreal wirken. Das Leid der betroffenen Bevölkerung, die schwer gezeichnet nach der Jahrhundert-Katastrophe in extremer Armut weiter leiden muss, wird ungeschönt und fast dokumentarisch gezeigt und geben dem Werk einen äußerst bitteren Grundton. Überhaupt lässt sich sagen, das der Film eine sehr pessimistische, traurige Stimmung verbreitet, welche absolute Hoffnungslosigkeit suggeriert. Das ist dann auch der Hauptkritikpunkt. Nach diesem Werk, in seiner Wirkung einem Schlag in die Magengrube nicht unähnlich, fällt es schwer sich noch weiter damit auseinanderzusetzen. Auch zu einer zweiten Sichtung dürften sich nur die wenigsten entschließen. VINYAN sitzt somit ein wenig zwischen den Stühlen. Einerseits gibt es einen hohen künstlerischen Anspruch, wurde versiert und mutig inszeniert, scheitert aber andererseits auf der erzählerischen Ebene auch dadurch, das gerade die weibliche Hauptfigur in ihrem Verhalten nicht immer nachvollziehbar bleibt. Vielleicht braucht man auch einfach etwas Abstand zu diesem Film, der es seinen Zuschauern mit Sicherheit nicht einfach macht. Ein Mut, der durchaus belohnt werden sollte.