"Ich hätte bleiben sollen, wo ich war!"
Bis zu dieser Erkenntnis Frank Post's ist es ein weiter Weg in diesem ersten und einzigen Western (ist SUNSET eigentlich ein Western?) von Blake Edwards. Das sich der vermeintlich auf Komödien spezialisierte Regisseur auch im ernsten Fach betätigt hat, wissen die wenigsten. Doch das er auch dies beherrscht, bewies er bereits im Jahre 1962 mit dem Thriller DER LETZTE ZUG (Experiment in Terror). Immer schon vom Wunsch beseelt einen Western zu inszenieren, wagte er sich 1970 an die Realisierung dieses zur Meisterprüfung gewordenen Projekts. Dabei gelang ihm, soviel kann ich schon mal verraten, tatsächlich ein Meisterwerk. Und nicht nur das. MISSOURI - WILD ROVERS ist (nach meiner Meinung) einer der schönsten Spätwestern. Das hat viele Gründe. Man könnte die Spruchweisheit "In der Ruhe liegt die Kraft" als Motto des 130 Minuten langen, in keinster Weise zu langen Werkes bestimmen. In jeder Szene ist die uneingeschränkte, ja fast zärtliche Liebe zum Sujet spürbar, wobei die oft lyrischen Bilder kongenial von Jerry Goldsmith' elegischem Soundtrack untermalt werden. Blake Edwards' gewohnt brilliante Dialoge, nicht nur zwischen Ross und Frank sondern auch des zweiten Hauptdarsteller-Duos, der beiden Söhne Buckmans John und Paul, beschäftigen sich nicht nur mit den Alltagsproblemen sowie den zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen, sondern sind voll von reflektiven und philosophischen Themen wie Vergangenheit und Zukunft, Alter und Jugend, Armut und Reichtum, Tod und Leben. Es scheint, als wollte der Regie-Künstler mit diesem Film nicht nur seine Lebens-Themen abarbeiten. Nein, es sind ebenso die Themen des Genres. Eines Genres, welches obschon bis heute nicht tot zu kriegen, das zur Entstehungszeit scheinbar in den letzten Zügen lag. So wirkt der Film wie ein Schwanengesang, eine Elegie und ein Requiem zugleich. Zudem wirkt Edwards Inszenierung wie die eines wahren Meisters, als hätte er nie etwas anderes gemacht als Western zu drehen. Den anfänglich eingeführten langsamen Rhythmus beibehaltend, entwickelt die sich unvorhersehbar entwickelnde Handlung die Sogkraft eines Romanes klassischer amerikanischer Erzähltradition, scheinbar leicht, oft humorvoll, immer lustvoll und spannend, glaubwürdig und realistisch, letzendlich tragisch, traurig, doch herzzerreißend und unvergesslich.

"Halte durch Partner, es ist nicht mehr weit."

Wieder ein Freund zum Pferde stehlen. Wieder einer, mit dem er durch dick und dünn geht. Wieder einer für den er sterben würde. Der Weg von der WILD BUNCH zu den WILD ROVERS ist gar nicht so weit wie man glauben mag und doch so gegensätzlich wie es nur sein kann. Auch zuvor in Sam Peckinpah's Opus Magnum als Pike Bishop spielte William Holden einen ewig erinnerungswürdigen Charakter. Der vorangeführte Satz könnte ebenso aus diesem Film stammen. Aber Holden sagt ihn als Ross Bodine, der Kehrseite Bishop's, mit dem er doch mehr gemein hat als man auf den ersten Blick sieht. Am Ende ist das freilich alles ganz klar. Schließlich wollen beide Figuren rauskommen, sei es als Rädchen aus dem Getriebe, aus dem gesellschaftlichen Gefüge, aus der eigenen Existenz. Für mich ist diese Figur der wahre Abschied, die wahre Schluss-Gala des William Holden. Allein für seinen Schluss-Monolog am Lagerfeuer hätte er einen Oscar verdient.

Ryan O'Neals Frank Post kann man auch als Wiedergänger des jungen Holden verstehen. Auch er war eine Art Golden Boy, gerade durch LOVE STORY zum Superstar geworden, dann lieber Schauspieler als Posterboy. Sein jugendlicher Drang nach Freiheit und selbstbestimmtem Dasein bringt Bodine erst zur Überzeugung mitzuziehen, seine alten, fast vergessenen Träume zu verwirklichen. Die Ranch in Mexiko, der ruhige Lebensabend. Derart angestachelt nutzt Bodine seine ganze Erfahrung um den Coup zu landen, das Ding durchzuziehen, während ihn seine Sentimentalität gegenüber Post später immer wieder ausbremst. Diese Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit und Lebensfreude und Nostalgie und Altersmilde, lässt die beiden die schönste Zeit ihres Lebens haben ohne das sie auch nur einen Gedanken an ihr Ende verschwenden. Bei einer Unterhaltung über den Tod zu Beginn des Filmes sagt Bodine auch folgerichtig, das er die meiste Zeit versucht nicht all zu viel darüber nachzudenken. Diese Einstellung vermittelt der Film immer wieder, so zum Beispiel bei einer spontanen Mustangjagd im Schnee, der genau so viel Platz eingeräumt wird, wie allen anderen scheinbar nebensächlichen Dingen des Lebens auch.

"Mehr ist nicht drin."

Noch eine Aussage Bodine's, die für das Streben aller Beteiligten gelten muss. Zum einen, weil für die nach dem Bankraub mit Hindernissen flüchtigen Ex-Cowboys irgendwann, aufgrund ihrer fehlenden Entscheidungsfreude, das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Zum andern, weil ihre Verfolger, die Söhne Buckmans, nicht am selben Strang ziehen. Ist der von Karl Malden verkörperte Patriarch ein Rancher wie er im Buche steht, der in den Schafzüchtern eine existenzielle Bedrohung sieht gegen die er mit rücksichtsloser Härte vorgeht, sind seine Söhne aus einem anderen Holz geschnitzt. Der Ältere, Paul, hat nur wenig Lust diese Odyssee auf sich zu nehmen, möchte er die zwei Cowboys, die er gut kennt und immer mochte lieber ziehen lassen, ist der jüngere John ein Heißsporn,ein jähzorniger wilder Bursche, der sich seinem Vater ein für alle mal beweisen will. Er ist auch die treibende Kraft hinter der hartnäckigen Jagd auf die Räuber, befanden sich schließlich die Lohngelder der Ranch-Arbeiter im Banktresor. Keiner der Beteiligten wird erreichen, was er sich vorgenommen hat. Für jeden von ihnen weicht die Illusion der Erkenntnis das am Ende des Weges nur der Tod stehen kann, das die Träume bloß Luftschlösser waren und das nicht zuletzt das, wofür die Tradition steht, dem Untergang geweiht ist. Einen traurigeren Abgesang hätte man sich nicht wünschen können. Und keinen schöneren.

Leider war dem wunderbar fotografierten Film kein großer Erfolg beschieden, auch weil er von der Kritik damals einhellig verrissen wurde. Umgeschnitten und gekürzt kam das Werk noch einmal in die Kinos und floppte wieder. In Deutschland war MISSOURI das letzte Mal 1994 in der ARD zu sehen, eine DVD-Veröffentlichung hierzulande ist überfällig.