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1939: Es ist das Jahr in dem alles begann. Wenn man so will. Das Jahr Null für das Western-Genre wie wir es heute kennen und lieben. Das Jahr in dem John Ford STAGECOACH herausbrachte und damit John Wayne zum Star machte. Das Jahr in dem George Marshall DESTRY RIDES AGAIN drehte und James Stewart erstmals bleihaltige Western-Luft schnuppern ließ. Und es ist das Jahr in dem Errol Flynn nach THE ADVENTURES OF ROBIN HOOD auf dem Zenit seiner Karriere anlangte und ebenfalls erstmals den Wilden Westen, zumindest auf der Leinwand, erobern durfte. Als einziger der drei Ikonen in den prächtigsten Farben. Komischerweise wird STAGECOACH heute als einziger der drei Filme als stilbildend betrachtet, während DESTRY... als frühe Parodie gilt. Doch tatsächlich muss auch DODGE CITY als mindestens ebenso stilbildend betrachtet werden wie STAGECOACH. Der Blickwinkel soll dabei nicht so sehr auf den mythologischen Unterbau gerichtet werden, der Fords aufklärerischem Werk anhaftet, wobei dieser, wenn man Ford gefragt hätte, nicht so sehr die treibende Feder gewesen sein soll. Vielmehr handelt es sich bei Michael Curtiz' DODGE CITY um lupenreinen Kintopp, Unterhaltungs-Kino in seiner reinsten Form. Im Übrigen kaum gealtert. Immer noch so frisch und flott wie sein Hauptdarsteller in jenen Tagen. Errol Flynn.

Ihm ist es sicher zu verdanken, dass der Film einer der größten Kassenerfolge des Jahres wurde und auch heute noch ein gern gesehener Gast im Fernseh-Programm ist. Flynn war in derartigen Rollen von Natur aus immer überzeugend. Ein wahrer Teufelskerl. Wenn man seinen Lebenslauf betrachtet, war sein ungestümes Leben vor seiner Kino-Karriere nicht weniger aufregend als die Dinge, die ihm in seinen Rollen widerfuhren. Voller Inbrunst warf er sich ins Abenteuer, lebte auf der Überholspur. Er alterte schnell und starb früh. Aber seine Filme zwischen 1935 und 1950 gehören nach wie vor zum Besten, was es an unterhaltsamem Genre-Kino gibt. Nach DODGE CITY drehte er noch sieben weitere Western, jeder einzelne sehenswert. Häufig war dabei Olivia de Havilland seine Partnerin, so auch hier. Ebenfalls oft an seiner Seite zu sehen war Alan Hale als treuer väterlicher Freund und Partner. John Waynes späterer Dauer-Filmpartner Bruce Cabot gibt den Schuft in klassischer Bad-Guy-Manier, wie sie noch aus unzähligen Serials bekannt ist. Es stimmt wohl, das Curtiz sich nicht groß mit der Psychologie der Charaktere aufgehalten hat. Aber dafür ist sein Film nach wie vor enorm kurzweilig und spannend und bietet Schauwerte in rauen Mengen, die Szene für Szene ein Highlight an das nächste reihen und so die große Stärke dieses, ich nenne es mal Monumental-Western bilden. Allerdings nicht im Sinne DeMilles. Michael Curtiz pfeift auf die große Schau und ergeht sich auch nicht in schwerfälligen kolossalen Kulissen. Seine Stadt sieht ziemlich echt aus, ist gehörig verschlammt und wirkt ganz wie eine eben aus dem Boden geschossene Blume an der noch ein bisschen Dreck klebt. Eine Blume des Westens.

Die im Film erzählte Geschichte basiert natürlich lose auf der Biographie von Wyatt Earp (1848 - 1929), einem weiteren rastlosen Geist in einer unruhigen Welt, der, ähnlich wie Errol Flynn selbst, ein getriebener Mann gewesen zu sein schien. Wenn ich mich recht entsinne, kam Flynn mit seiner Integrität meiner Vorstellung Earps, die ich als Junge durch zahllose Romane hatte, am nächsten. Das alles genügt aber noch nicht um Standards vorzugeben. Dies passiert fast ausschließlich durch die fulminanten Action-Szenen. So startet der Film bereits mit einem Rennen einer Postkutsche gegen einen Zug, gefolgt von einer Rinder-Stampede. Es gibt eine der besten Saloon-Schlägereien der Western-Geschichte, sowie eine später ebenso obligatorische genretypische Szene, in der Flynn eine Kutsche mit durchgehenden Pferde stoppt. Und das ist noch längst nicht alles. Vieles von dem, was Western-Freunden vertraut und wiederholt vorkommen mag, fand hier seinen Anfang und frühen Höhepunkt. Selbst eine aus Curtiz' Klassiker CASABLANCA bekannte Szene findet hier ihre erste Entsprechung. Wenn am Ende Olivia de Havilland und Errol Flynn auf einem Planwagen in den Sonnenuntergang fahren, kennen wir bereits ihr Ziel: VIRGINIA CITY. Das war denn auch der Titel von Flynns nächstem Western.