Nichts zu gewinnen
Die Kamera streift langsam über die Grabsteine von Arlington. Wir hören Hubschraubergeräusche. Wir sehen in der Ferne einer Beerdigung zu, einer Militär-Bestattung. Der Vorspann geht vorbei, endet mit dem Namen Francis Coppola. Die Jahreszahl 1968 wird eingeblendet. Der erste Gedanke der uns in den Kopf schießt lautet Vietnam. Es stellt sich die Frage was uns erwartet. Ein Requiem? Auch Coppolas Opus magnum APOCALYPSE NOW begann mit den Rotorgeräuschen eines Hubschraubers. Das bedrohliche Gefühl war dasselbe. Die Situation eine andere. Dieses Mal beschäftigt sich der einstmals gefeierte Regisseur mit dem Krieg an der Heimatfront. Genauer gesagt mit der "Alten Garde". Einer Einheit von verdienten Veteranen, für die es eine Ehre ist diesen Platz zu bewachen, zu schützen und gegen jeden Angriff von außen zu verteidigen. Angriffe die nurmehr verbal stattfinden. Angriffe von Kriegs- und damit Militär-Gegnern. Durch Demonstrationen, Aufmärsche und auch Zeitungs-Artikel. Da mutet es schon ein wenig wie Ironie an, wenn ein Vollblut-Militär (Caan), obschon gegen diesen Krieg doch uneingeschränkt für das Militär, mit einer Journalistin (Huston) zusammen kommt, die als Anti-Vietnam-Krieg-Aktivistin Karriere macht. Das zeigt aber auch den alltäglichen Gegensatz der in jeder Beziehung verarbeitet wird. Alles hat zwei Seiten, jeder einen anderen Standpunkt. Damit muss man sich auseinandersetzen. Coppola tut dies. Er hat mit Vietnam noch nicht abgeschlossen. Eine tiefe Trauer wohnt in ihm, er sieht nicht nur seine Seele, sondern auch die seines Landes verletzt. Er zieht Bilanz. Ja, es ist auch ein zutiefst patriotischer Film, jedoch ohne zur Schau gestellten Patriotismus. Regelrecht sensibel werden die Zeremonien gezeigt, ohne jedes Pathos, doch mit viel Gefühl. Ein Film der sowohl die Opfer als auch die Hinterbliebenen ernst nimmt.

Coppola musste während der Dreharbeiten den Tod seines Sohnes verkraften. Er stürzte sich in die Arbeit. Die Akribie, den Detailreichtum, das Herzblut spürt man in jeder Szene. Denn auch hier geht es um verlorene Söhne, verlorene Ideale. James Caan, Coolman Caan in früheren Zeiten, zeigt eine herausragende Darbietung. Für ihn war es der erste Film seit fünf Jahren in denen seine Karriere am Boden lag. Er war aufgestiegen, abgehoben und tief gefallen. Wie Ikarus wäre sein Stern verglüht. Sein alter Freund Francis Coppola, auch diese Namensverkürzung zeugt von abgelegten Eitelkeiten, gab dem Mann, den er mit DER PATE über Nacht zum Star gemacht hatte, die Rolle des Sergeant Hazard, der sich ebenfalls als gefallenen Mann sieht. Er ist der Einzige unter den altgedienten Veteranen, der keinen Stolz über seine "ehrenvolle" Aufgabe empfindet, der sich am liebsten an die Front nach Vietnam begeben würde, der jeden Sarg der zurück kommt als persönlichen Verlust empfindet. Wäre da nicht sein Gegenpol Goody, er wäre längst zugrunde gegangen. Wenn die beiden Willow zu ihrem Ziehsohn machen, geschieht das aufrichtig und uneigennützig. Sie geben ihrer Verantwortung gegenüber dem Sohn eines Kameraden den gleichen Stellenwert wie ihrer militärischen Verpflichtung und Überzeugung ihrem Land zu dienen. Sie bilden Gemeinschaften. Gemeinschaften in denen ihre Frauen und Freundinnen die genauso wichtig und gleichberechtigt sind, trotz teilweise anderer Auffassungen, die ihnen einen Halt geben, den sie bei der Armee nur noch vordergründig finden. Hinter den Fassaden ist längst alles zerbrochen. Das rückt den Film in die Nähe John Fords. Auch bei ihm ging es um Gemeinschaften, um Soldaten-Alltag. In SHE WORE A YELLOW RIBBON verhalten sich John Wayne und Victor McLaglen gegenüber John Agar nicht unähnlich und auch der Charakter von Tyrone Power in Fords THE LONG GRAY LINE erinnert an den von James Caan's Figur.

D.B. Sweeney gibt seiner Figur die Naivität eines Musterschülers, der seine Mentoren grenzenlos bewundert und doch nicht auf sie hört. Der damalige Jung-Schauspieler glänzte in vielen Rollen zu jener Zeit, sollte zum Star aufgebaut werden, was nicht gelang. Doch er verschmilzt perfekt mit der Figur, spielt sie makellos. Obwohl man von Anfang an weiß das er sterben wird, der Film beginnt mit seiner Beerdigung und wird als Rückblende erzählt, gelingt es ihm dem Charakter eine tiefe Wärme zu geben, die den Verlust den alle am Ende empfinden, absolut begreifbar macht. James Earl Jones, damals hoch im Kurs, gibt den sanften Brummbär, der gerne mal schmutzige Witze erzählt, von seiner Einheit aber zugleich geschätzt und gefürchtet wird. Anjelica Huston strafte ihre Kritiker endgültig lügen. Ihre Rolle der Journalistin ist eine starke Persönlichkeit, die im Job vorankommt, der aber auch eine große Zärtlichkeit inne wohnt. Manche Momente, sind sie auch noch so kurz, erfüllt sie derartig mit Leben, das man nur staunen kann. Dann wieder in Dialogszenen mit Caan entsteht eine Vertrautheit, der man gerne noch länger folgen möchte. Mary Stuart Masterson bekommt leider nicht so viel Screentime, ist aber sehr gut. In den Nebenrollen sehen wir Coppola-Stammschauspieler wie Larry Fishburne, den ehemaligen Kinderstar Dean Stockwell sowie seinerzeit aufstrebende junge Schauspieler wie Elias Koteas und Casey Siemaszko.

Der Film wurde 1987 von der Kritik zerissen und floppte weltweit gnadenlos. Dabei ist es eine der letzten großen Arbeiten eines ehemaligen Meister-Regisseurs und es ist an der Zeit für eine Rehabilitation. Brilliant besetzt und gespielt ist GARDENS OF STONE ein seltenes Werk amerikanischer Vergangenheits-Aufarbeitung und eine lohnende Ergänzung zu APOCALYPSE NOW (hierzu empfehle ich die Rezension von Gavin Armour zu lesen).