Übersicht
Originalsprache | : | Deutsch |
Stichwort | : | Novelle |
Umfang | : | ca. 104 Seiten |
Verlag | : | Diogenes Verlag, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, Fischer Taschenbuch, Hamburger Lesehefte Verlag, Manesse Verlag, Reclam-Verlag, Suhrkamp Verlag, Tredition |
Buchreihe | : | Hamburger Lesehefte |
Kurzbeschreibung
»Das Amulett« ist eine Erzählung von Conrad Ferdinand Meyer. 1873 wurde das literarische Werk zuerst veröffentlicht.
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Der Schweizer C.F. Meyer ist neben Goethe und Schiller, aber auch Lion Feuchtwanger, Victor Hugo, Lew Tolstoi und Walter Scott, um nur die wichtigsten zu nennen, einer der Erzähler, die Geschichte in Dichtung und poetischer Gestaltung haben lebendig werden lassen. So auch in seiner 1872/73 entstandenen Novelle „Das Amulett“, die er in den Wirren der Reformation Mitte des 16. Jahrhunderts in Frankreich spielen lässt, wo die Verfolgung der Hugenotten in der Bartholomäusnacht vom 23. Auf den 24. August 1572 ihren grausigen Höhepunkt findet.
Mit den beiden Schweizer Freunden, dem Protestanten Hans Schadau (von Bern) und dem Katholiken Wilhelm Boccard (von Fryburg) sowie den Figuren rund um den für die protestantische Sache kämpfenden Admiral Coligny - u.a. Gasparde, sein Nichte, die dann Schadau angetraut wird, und Parlamentsrat Châtillon, deren Pflegevater - gibt er den historischen Ereignissen menschliche Gesichter von Verlässlichkeit, Kameradschaft und Liebe, die dem Leser das damalige Geschehen eindrucksvoll vor Augen führen. Ausgerechnet das die Schutzheilige Jungfrau von Einsiedel abbildende Amulett Boccards rettet Schadau in einem Duell das Leben, als es, von dem Freund heimlich in sein Wamst gesteckt, den tödlich geführten Fechthieb des Gegners abhält, und in der Folge auch seine Rettung zu bewirken scheint.
Eine schöne Geschichte, mit der sich, zumindest in der Vergangenheit, fast jeder Gymnasiast auf seinem Weg zum Abitur auseinandersetzen musste. Wer sich über die Hintergründe und Ereignisse rund um die Bartholomäusnacht in dichterischer Form sehr detailliert informieren will, sollte sich in das zweibändige Abenteuer der Geschichte Heinrich des IV. („Die Jugend des Königs Henri Quatre“ und „Die Vollendung des Königs Henri Quatre“) stürzen, die zu schildern Heinrich Mann eine wahre Mammutleistung vollbracht hat.
Mit den beiden Schweizer Freunden, dem Protestanten Hans Schadau (von Bern) und dem Katholiken Wilhelm Boccard (von Fryburg) sowie den Figuren rund um den für die protestantische Sache kämpfenden Admiral Coligny - u.a. Gasparde, sein Nichte, die dann Schadau angetraut wird, und Parlamentsrat Châtillon, deren Pflegevater - gibt er den historischen Ereignissen menschliche Gesichter von Verlässlichkeit, Kameradschaft und Liebe, die dem Leser das damalige Geschehen eindrucksvoll vor Augen führen. Ausgerechnet das die Schutzheilige Jungfrau von Einsiedel abbildende Amulett Boccards rettet Schadau in einem Duell das Leben, als es, von dem Freund heimlich in sein Wamst gesteckt, den tödlich geführten Fechthieb des Gegners abhält, und in der Folge auch seine Rettung zu bewirken scheint.
Eine schöne Geschichte, mit der sich, zumindest in der Vergangenheit, fast jeder Gymnasiast auf seinem Weg zum Abitur auseinandersetzen musste. Wer sich über die Hintergründe und Ereignisse rund um die Bartholomäusnacht in dichterischer Form sehr detailliert informieren will, sollte sich in das zweibändige Abenteuer der Geschichte Heinrich des IV. („Die Jugend des Königs Henri Quatre“ und „Die Vollendung des Königs Henri Quatre“) stürzen, die zu schildern Heinrich Mann eine wahre Mammutleistung vollbracht hat.
Heute am vierzehnten März 1611 ritt ich von meinem Sitze am Bielersee hinüber nach Courtion zu dem alten Boccard, den Handel um eine mir gehörige mit Eichen und Buchen bestandene Halde in der Nähe von Münchweiler abzuschließen, der sich schon eine Weile hingezogen hatte. Der alte Herr bemühte sich in langwierigem Briefwechsel um eine Preiserniedrigung. Gegen den Wert des fraglichen Waldstreifens konnte kein ernstlicher Widerspruch erhoben werden, doch der Greis schien es
für seine Pflicht zu halten mir noch etwas abzumarkten. Da ich indessen guten Grund hatte, ihm alles Liebe zu erweisen, und überdies Geldes benötigt war, um meinem Sohn, der im Dienste der Generalstaaten steht und mit einer blonden runden Holländerin verlobt ist, die erste Einrichtung seines Hausstandes zu erleichtern, entschloß ich mich, ihm nachzugeben und den Handel rasch zu beendigen.Ich fand ihn auf seinem altertümlichen Sitze einsam und in vernachlässigtem Zustande. Sein graues Haar hing ihm unordentlich in die Stirn und hinunter auf den Nacken. Als er meine Bereitwilligkeit vernahm, blitzten seine erloschenen Augen auf bei der freudigen Nachricht. Rafft und sammelt er doch in seinen alten Tagen, uneingedenk, daß sein Stamm mit ihm verdorren und er seine Habe lachenden Erben lassen wird.
Er führte mich in ein kleines Turmzimmer, wo er in einem wurmstichigen Schranke seine Schriften verwahrt, hieß mich Platz nehmen und bat mich den Kontrakt schriftlich aufzusetzen. Ich hatte meine kurze Arbeit beendigt und wandte mich zu dem Alten um, der unterdessen in den Schubladen gekramt hatte, nach seinem Siegel suchend, das er verlegt zu haben schien. Wie ich ihn alles hastig durcheinanderwerfen sah, erhob ich mich unwillkürlich, als müßt ich ihm helfen. Er hatte eben wie in fieberischer Eile ein geheimes Schubfach geöffnet, als ich hinter ihn trat, einen Blick hineinwarf und – tief aufseufzte.
In dem Fache lagen nebeneinander zwei seltsame, beide mir nur zu wohl bekannte Gegenstände: ein durchlöcherter Filzhut, den einst eine Kugel durchbohrt hatte, und ein großes rundes Medaillon von Silber mit dem Bilde der Muttergottes von Einsiedeln in getriebener, ziemlich roher Arbeit.
Der Alte kehrte sich um, als wollte er meinen Seufzer beantworten, und sagte in weinerlichem Tone:
»Jawohl, Herr Schadau, mich hat die Dame von Einsiedeln noch behüten dürfen zu Haus und im Felde; aber seit die Ketzerei in die Welt gekommen ist und auch unsre Schweiz verwüstet hat, ist die Macht der guten Dame erloschen, selbst für die Rechtgläubigen! Das hat sich an Wilhelm gezeigt – meinem lieben Jungen.« Und eine Träne quoll unter seinen grauen Wimpern hervor.
Mir war bei diesem Auftritte weh ums Herz und ich richtete an den Alten ein paar tröstende Worte über den Verlust seines Sohnes, der mein Altersgenosse gewesen und an meiner Seite tödlich getroffen worden war. Doch meine Rede schien ihn zu verstimmen, oder er überhörte sie, denn er kam hastig wieder auf unser Geschäft zu reden, suchte von neuem nach dem Siegel, fand es endlich, bekräftigte die Urkunde und entließ mich dann bald ohne sonderliche Höflichkeit.
Ich ritt heim. Wie ich in der Dämmerung meines Weges trabte, stiegen mit den Düften der Frühlingserde die Bilder der Vergangenheit vor mir auf mit einer so drängenden Gewalt, in einer solchen Frische, in so scharfen und einschneidenden Zügen, daß sie mich peinigten.
Das Schicksal Wilhelm Boccards war mit dem meinigen aufs engste verflochten, zuerst auf eine freundliche, dann auf eine fast schreckliche Weise. Ich habe ihn in den Tod gezogen. Und doch, sosehr mich dies drückt, kann ich es nicht bereuen und müßte wohl heute im gleichen Falle wieder so handeln, wie ich es mit zwanzig Jahren tat. Immerhin setzte mir die Erinnerung der alten Dinge so zu, daß ich mit mir einig wurde, den ganzen Verlauf dieser wundersamen Geschichte schriftlich niederzulegen und so mein Gemüt zu erleichtern.
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1968, S. 7-9
Der Text ist entweder gemeinfrei oder wurde vom Autor/Verlag zur Verfügung gestellt.Bei rechtlichen Bedenken melden Sie sich bitte beim Team von Kritikatur.
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lieferbare Ausgaben
Das Amulett
(Conrad Ferdinand Meyer)
(Conrad Ferdinand Meyer)
Hamburger Lesehefte Verlag, 2020, 64 S., 9783872910301
nicht mehr lieferbar
Linktipp: »Novelle« als Stichwort haben auch
- Schachnovelle (Stefan Zweig)
- Michael Kohlhaas (Heinrich von Kleist)
- Der Schimmelreiter (Theodor Storm)
- Immensee (Theodor Storm)
- Pole Poppenspäler (Theodor Storm)