Übersicht


Epoche : Romantik
Originalsprache : Deutsch
Genre : Komödie
Umfang : ca. 183 Seiten
Thema : Prozess
Ort : Dorf, Niederlande
Besondere Liste : Meyers Kleines Lexikon - Literatur, Das Buch der 1000 Bücher, 50 Klassiker - Theater
Verlag : aufbau, Carl Hanser Verlag, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, Hamburger Lesehefte Verlag, Insel Verlag, Reclam-Verlag, Reprint-Verlag-Leipzig, S. Fischer Verlag, Suhrkamp Verlag
Buchreihe : Hamburger Lesehefte

Kurzbeschreibung


»Der zerbrochne Krug« ist ein Theaterstück von Heinrich von Kleist. 1806 wurde das literarische Werk zuerst veröffentlicht.

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Charakteristik / 3 Einschätzungen


Anspruch
Wissen
  6
2
    Liebe
Humor
  6
8
    Erotik
Spannung
  1
5
    Unterhaltung
Transzendenz
  7
2
   


Figuren


Frau Marthe Rull
Licht
Walter
Adam
Frau Brigitte
Walter, Gerichtsrat
Adam, Dorfrichter
Licht (Schreiber)
Frau Marte Rull
Eve (ihre Tochter)
Veit Tümpel (ein Bauer)
Ruprecht (sein Sohn)
Ein Bedienter
1. Magd
2. Magd
Veit Tümpel, ein Bauer
Eve, ihre Tochter
Ein Bedienter
Büttel
Ruprecht, sein Sohn, Eves Verlobter
Mägde usw.


Kurzkritiken


     
originell, unterhaltend, erheiternd
In gewisser Weise ist es unfair, ein Theaterstück als Text zu beurteilen, da es ja eigentlich nicht zum Lesen gedacht ist. Als Bühnenstück ist es genial.
     
seicht, belehrend, unterhaltend, erheiternd
Schon zwei mal im Theater gesehen und ebensooft gelesen bleibt die Erkenntnis, dass dieses Schauspiel auf der Bühne am besten wirkt.
     
nachhaltig, bereichernd, unterhaltend
einfach zeitlos und köstlich zu lesen
     
ganz nett, mehr nicht
     
erheiternd, unterhaltend, seicht
     
seicht, unterhaltend, erheiternd
     
bereichernd, unterhaltend, erheiternd
     
seicht, anstrengend, langweilend



Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.

LICHT.
Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!
Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?
ADAM.
Ja, seht. Zum Straucheln braucht's doch nichts, als Füße.
Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?
Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
Den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst.
LICHT.
Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –?
ADAM.
Ja, in sich selbst!
LICHT.
Verflucht das!
ADAM.
Was
beliebt?
LICHT.
Ihr stammt von einem lockern Ältervater,
Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,
Und wegen seines Falls berühmt geworden;
Ihr seid doch nicht –?
ADAM.
Nun?
LICHT.
Gleichfalls –?
ADAM.
Ob ich –? Ich glaube –!
Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.
LICHT.
Unbildlich hingeschlagen?
ADAM.
Ja, unbildlich.
Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.
LICHT.
Wann trug sich die Begebenheit denn zu?
ADAM.
Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett
Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied
Im Mund, da stolpr' ich in den Morgen schon,
Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,
Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.
LICHT.
Und wohl den linken obenein?
ADAM.
Den linken?
LICHT.
Hier, den gesetzten?
ADAM.
Freilich!
LICHT.
Allgerechter!
Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.
ADAM.
Der Fuß! Was! Schwer! Warum?
LICHT.
Der Klumpfuß?
ADAM.
Klumpfuß!
Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.
LICHT.
Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten Unrecht.
Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,
Und wagt sich eh'r aufs Schlüpfrige.
ADAM.
Ach, was!
Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.
LICHT.
Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt?
ADAM.
Mir das Gesicht?
LICHT.
Wie? Davon wißt Ihr nichts?
ADAM.
Ich müßt ein Lügner sein – wie sieht's denn aus?
LICHT.
Wie's aussieht?
ADAM.
Ja, Gevatterchen.
LICHT.
Abscheulich!
ADAM.
Erklärt Euch deutlicher.
LICHT.
Geschunden ist's,
Ein Greul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,
Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich's schätzen.
ADAM.
Den Teufel auch!
LICHT bringt einen Spiegel.
Hier! Überzeugt Euch selbst!
Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich
Durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen,
Als Ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.
ADAM.
Hm! Ja! 's ist wahr. Unlieblich sieht es aus.
Die Nas hat auch gelitten.
LICHT.
Und das Auge.
ADAM.
Das Auge nicht, Gevatter.
LICHT.
Ei, hier liegt
Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,
Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.
ADAM.
Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,
Das alles hatt ich nicht einmal gespürt.
LICHT.
Ja, ja! So geht's im Feuer des Gefechts.
ADAM.
Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock,
Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ich's.
Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam
Ertrunken in den Lüften um mich greife,
Faß ich die Hosen, die ich gestern abend
Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing.
Nun faß ich sie, versteht Ihr, denke mich,
Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt
Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,
Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr' ich auf
Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock
Die Nase an der Ecke vorgestreckt.
LICHT lacht.
Gut, gut.
ADAM.
Verdammt!
LICHT.
Der erste Adamsfall,
Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.
ADAM.
Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibt's Neues?
LICHT.
Ja, was es Neues gibt! Der Henker hol's,
Hätt ich's doch bald vergessen.
ADAM.
Nun?
LICHT.
Macht Euch bereit auf unerwarteten
Besuch aus Utrecht.
ADAM.
So?
LICHT.
Der Herr Gerichtsrat kömmt.
ADAM.
Wer kömmt?
LICHT.
Der Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.
Er ist in Revisions-Bereisung auf den Ämtern,
Und heut noch trifft er bei uns ein.
ADAM.
Noch heut! Seid Ihr bei Trost?
LICHT.
So wahr ich lebe.
Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,
Hat das Justizamt dort schon revidiert.
Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon
Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.
ADAM.
Heut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!
Zur Revision, der wackre Mann, der selbst
Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt.
Nach Huisum kommen, und uns kujonieren!
LICHT.
Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.
Nehmt Euch in acht.
ADAM.
Ach geht!
LICHT.
Ich sag es Euch.
ADAM.
Geht mir mit Eurem Märchen, sag ich Euch.
LICHT.
Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.
ADAM.
Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.
Die Kerle unterscheiden ein Gesicht
Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.
Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,
Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,
So hält so'n Schubiack ihn für wen Ihr wollt.
LICHT.
Wohlan so zweifelt fort, ins Teufels Namen,
Bis er zur Tür eintritt.
ADAM.
Er, eintreten! –
Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.
LICHT.
Der Unverstand! Als ob's der vorige
Revisor noch, der Rat Wachholder, wäre!
Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.
ADAM.
Wenngleich Rat Walter! Geht, laßt mich zufrieden.
Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,
Und praktisiert, wie wir, nach den
Bestehenden Edikten und Gebräuchen.
LICHT.
Nun, ich versichr' Euch, der Gerichtsrat Walter
Erschien in Holla unvermutet gestern,
Vis'tierte Kassen und Registraturen,
Und suspendierte Richter dort und Schreiber,
Warum? ich weiß nicht, ab officio.
ADAM.
Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?
LICHT.
Dies und noch mehr –
ADAM.
So?
LICHT.
Wenn Ihr's wissen wollt.
Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,
Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,
Und findet hinten in der Scheuer ihn
Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.
ADAM.
Was sagt Ihr?
LICHT.
Hülf inzwischen kommt herbei,
Man löst ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,
Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.
ADAM.
So? Bringt man ihn?
LICHT.
Doch jetzo wird versiegelt,
In seinem Haus, vereidet und verschlossen,
Es ist, als wär er eine Leiche schon,
Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.
ADAM.
Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund war's –
Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,
Ein Kerl, mit dem sich's gut zusammen war;
Doch grausam liederlich, das muß ich sagen.
Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,
So ging's ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.
LICHT.
Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,
Sei schuld, daß der Gerichtsrat noch nicht hier;
Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.
ADAM.
Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt's Freundschaft
Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können.
Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,
Und Ihr verdient's, bei Gott, so gut wie einer.
Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,
Heut laßt Ihr noch den Kelch vorübergehn.
LICHT.
Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?
ADAM.
Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,
Und Euren Cicero habt Ihr studiert
Trotz einem auf der Schul in Amsterdam.
Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?
Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,
Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.
LICHT.
Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.
ADAM.
Zu seiner Zeit, Ihr wißt's, schwieg auch der große
Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.
Und bin ich König nicht von Mazedonien,
Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.
LICHT.
Geht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.
Hab ich jemals –?
ADAM.
Seht, ich, ich, für mein Teil,
Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließe
Von Depositionen sich und Zinsen
Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:
Wer wollte solche Perioden drehn?
LICHT.
Nun, also!
ADAM.
Von solchem Vorwurf bin ich rein,
Der Henker hol's! Und alles, was es gilt,
Ein Schwank ist's etwa, der zur Nacht geboren,
Des Tags vorwitz'gen Lichtstrahl scheut.
LICHT.
Ich weiß.
ADAM.
Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,
Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,
Soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein.
LICHT.
Das sag ich auch.
ADAM.
Nun denn, so kommt Gevatter,
Folgt mir ein wenig zur Registratur;
Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,
Die liegen wie der Turm zu Babylon.

Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 235-241.

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Verfilmungen


Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug
(Gustav Ucicky)
2 Kurzkritiken



Vertonungen


Der zerbrochne Krug
Der zerbrochne Krug
(Robert Bichler)


Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug
(Ulrich Lauterbach)


Der zerbrochene Krug
Der zerbrochene Krug
(Klaus Gmeiner)




Illustration


Adolph Menzel


Ausgaben (Auswahl)


lieferbare Ausgaben
Der zerbrochne Krug
Der zerbrochne Krug
(Heinrich von Kleist)
Hamburger Lesehefte Verlag, 2019, 88 S., 9783872910325
2,30 €

Bestellen
Der zerbrochne Krug / Das Käthchen von Heilbronn
S. Fischer Verlag, 2008, 224 S., 9783596900640
6,00 €

Bestellen
nicht mehr lieferbar
Der zerbrochne Krug
Der zerbrochne Krug
(Heinrich von Kleist)
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, 1997, 0 S., 9783423026253
6,00 €

Der zerbrochne Krug
Der zerbrochne Krug
(Heinrich von Kleist)
Reclam-Verlag, 2011, 239 S., 9783150189061
6,80 €

Kleists Werke
Kleists Werke
(Heinrich von Kleist)
aufbau, 1965, 776 S.




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