Literarisches Werk




Übersicht


Originalsprache : Deutsch
Umfang : ca. 300 Seiten
Thema : Liebe, Geld, Verrat

Kurzbeschreibung


»Die große Sache« ist ein Roman von Heinrich Mann. 1930 wurde das literarische Werk zuerst veröffentlicht.

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Ein Vater stellt seine Kinder auf die Probe
Es ist ein wenig wie die alte Geschichte: ein Vater stellt seine Kinder auf eine Probe. Nur will er mit dieser „großen Sache“ nicht wissen, wie wert er den Kindern ist – sondern für wie wert sie sich selbst achten. Nun denn: Der berühmte Erfinder Birk, nunmehr, in den endzwanziger Jahren (des vorigen Jahrhunderts), angestellter Oberingenieur in einem großen Konzern bei Berlin, Vater von fünf erwachsenen Kinder, wird bei der Arbeit verletzt - und als sich seine Kinder um sein Krankenbett versammeln, gibt er vor, eine außerordentliche Erfindung gemacht zu haben, eine „große Sache“, einen Sprengstoff von „äußerster Brisanz“. Das sollte viel, ganz viel Geld - von vierzig Millionen ist sofort die Rede - einbringen, wenn man es nur an den richtigen Mann bringt, so schlußfolgern seine Kinder. Und schon begeben sie sich auf den Weg, eine solche Instanz zu finden. Schnell stellen sie fest, daß der wichtige Konzernmann Schattich ihnen nicht etwa dabei helfen, sondern die Erfindung vielmehr an sich reißen wird. Und ebenso schnell stellen sich andere Personen ein, die von dem Geschäft profitieren wollen, denn die Kunde von der „großen Sache“ hat sich schnell herumgesprochen. Alle trauen dem Oberingenieur Birk zu, daß es sich um eine große Sache handeln muß - keiner hat aber davon Ahnung oder erfragt auch nur technische Details - alle sind allein auf den Gewinn aus, den sie bringen muß. Das Zentrum der die Handlung treibenden Personen ist Birks Schwiegersohn Emanuel, der zudem seine Frau Margo mit ihrer Schwester Inge betrügt. Daraus ergibt sich, daß für Inge die große Sache die finanzielle Grundlage bieten soll, um sich mit Emanuel woanders ein neues Leben aufzubauen - und für Margo wiederum, Emanuel zurückzugewinnen, wenn sie es ist, die die große Sache erfolgreich unterbringt. Um diese drei, deren Antrieb genauso Liebe oder Leidenschaft ist wie der pekuniäre Gewinn, kreisen Gestalten, die für jene Freundschaft oder Begehren zeigen, die aber ebenfalls nur der „großen Sache“ und damit dem großen Geld und Gewinn auf der Spur bleiben wollen. Am Ende ist es Margo, die, als Pilotin in seinem Flugzeug allein mit dem allerhöchsten Konzernchef, mit „Karl dem Großen“, für die Familie etwas aushandeln kann - aber nicht wegen der „großen Sache“, von der Margo schon begriffen hat, daß es sie nicht gibt, sondern weil sie Mut beweist und ihr Anliegen verständig vorzubringen weiß. Und es trifft ein, was sie sich persönlich erhofft hat: Emanuel wendet sich ihr wieder zu. Der Oberingenieur Birk aber hofft, daß seine Kinder verstanden haben, in welche Abgründe der Weg zu einem Gewinn führt, der sich nicht aus persönlicher Leistung ergibt - und um wie vieles wichtiger es ist, sich zu freuen. Er sagt am Schluß zu seinen Kindern: „Jetzt habt ihr genug durchgemacht, um euch zu freuen, wie? Auf einmal wißt ihr unglaublich vieles.“ Die Handlung umfaßte nur drei Tage – und am Ende segnet Oberingenieur Birk das Zeitliche, mit wie großer Hoffnung, daß seine Probe den Kindern etwas nützt, bleibt unentschieden.




Eine modern erzählte, turbulente Intrige und Zeitgeschichte in Romanform
Dieser Gesellschaftsroman weist zwei Besonderheiten auf – und damit zwei Gründe, ihn zu lesen –und ihn gerade jetzt zu lesen. Die eine betrifft die moderne, eindrückliche Erzählweise. Die andere die Zeit, die er schildert: die letzten Jahre der Weimarer Republik.
Es ist ein allwissenden Erzähler, der die Geschichte erzählt; er stellt die Personen vor, er führt sie in die Geschichte ein, er kennt ihre Vor-Geschichte, die, um ihre folgenden Handlungen zu erklären, belangvoll ist. Die Handlungen der Personen können zuweilen ironisch-distanziert verstanden werden – das ist eine oft geübte Haltung dieses allwissenden Erzählers. Er, der Erzähler, verhält sich in dem atemlos machenden Strudel der Geschehnisse jedoch auch wie eine ‚Theatermaschine‘, wie jemand, der Kulissen aufkommen und wieder verschwinden läßt, der Vorhänge und Prospekte bewegt, um Platz zu machen für neue Szenerien, die eine immer unglaublicher und aufregender als die vorige. So ergeben sich plastisch-bunte Szenen in einer Bar oder bei einem Boxkampf, bizarre Vorgänge im Haus der großen Herrschaften Schattich oder des Industriellen von List oder bei einer „Gesellschaft zur Rationalisierung Deutschlands“. Sie sind grotesk und wirken eindringlich und verstören zuweilen wie Bilder von George Grosz: ein Reigen von Intrigen und Verrat, von Gier und Lust, von absoluter Ich-Bezogenheit, von schwitzender Angst und fast jeder Art menschlicher Abgründe. Und indem der Erzähler ‚nur‘ die Drehbühne oder die Versenkung betätigt, überläßt er es seinen Figuren, wie sie auftreten und was sie von sich kundgeben wollen. So daß der Leser meistens das Innenleben der Hauptfiguren und die Handlung aus ihrer Sicht und ganz an sie gebunden erlebt. Bis sich die Bühne wieder dreht und der Leser wie die Figuren – kurzzeitig – die Führung wieder an den ‚metteur en scene‘ abgeben müssen. Durch diese Erzählweise ist und bleibt der Leser aber auch in einer gewissen Unsicherheit, wie er die Personen und ihre Handlungen beurteilen soll, denn sie sind alle in gewissem Sinn fragwürdig, und nur wenige, wie der Oberingenieur Birk selbst oder seine Tochter Margo, können wirkliche Anteilnahme oder gar Sympathie erregen. Dieser Zweifel wird auch nicht beruhigt durch das Statement des Vaters Birk am Ende, als er von drei Arten strebender Kräfte spricht: den Beziehungen, der Gewalt und schließlich der Arbeit, der eigenen produktiven Leistung. Die Geschichte, die gerade abgelaufen war, war zu erregend und zu aufreibend, um sie durch eine verständige Einordnung ihrer verschiedenen Charaktere in eine Eindeutigkeit zu bringen. Das gleiche gilt für den versöhnlichen und eigentlich kitschigen Schluß: daß der oberste Konzernchef ‚Karl der Große‘, anders als die politischen und Wirtschaftsmagnaten Schattich und von List, die Würde und den Mut der Margo zu schätzen weiß und belohnt. Beides, die Darlegungen Birks am Schluß und dieses Finale, widersprechen dem, was – und wie es erzählt wurde.
Die Zeit nun, von der die Geschichte ja auch berichtet, in einem repräsentativen Querschnitt der sie prägenden Kräfte, möchte man sogar sagen, läßt sich, rückblickend, mit jedem Recht in die Analyse von Oberingenieur Birk einordnen. Sie mag durchaus von diesen strebenden Kräfte bestimmt sein: den Beziehungen, der Gewalt und der Arbeit. Die Beziehungen, mit denen keine freundschaftlichen gemeint sind, bestehen aus gegenseitigem Druck, um einseitig den Vorteil zu ziehen – und um die Kaste der Gewissenlosen und Besitzenden zu erhalten. Und Gewalt: eine „gewalttätige Seele“, heißt es, eigne den großen Tatmenschen, den Feldherren und Trustmagnaten. So manche der Figuren wenden Gewalt an, sind dazu bereit und stehen als gewissenlose Tatmenschen auch dafür, nicht nur der heruntergekommene Mulle, ein verhinderter „jüngster Doppelmörder“. Arbeit schließlich meint die unübersehbare Zahl derer, denen die Gesellschaft das Leben abkauft, die immer nur „der Bruchteil einer Kraft, nie die ganze Kraft“ sind. Es sind die Leute, die was können, wie der Oberingenieur selbst oder sein Sohn Rolf, der Arzt ist; seine anderen Kinder, die alle was gelernt haben, in welche Richtung immer sie ihre Talente einsetzen wollen; ebenso der Flieger Bergmann und selbst der Boxer Brüstung. Es sind aber auch die Abrutschenden und die schon Verkommenen, die sich nun mit ‚Beziehungen‘ oder ‚Gewalt‘ versuchen müssen, auf festen Boden zu retten.
Mit den Figuren seiner Geschichte, mit der Art, wie sich ihre Charaktere unter den gegebenen Umständen entwickeln und wie daraus die Zwangsläufigkeit der Handlung entsteht, hat Heinrich Mann in kongenialer Weise den aufkommenden Faschismus in Deutschland skizziert, vor dem Oberingenieur Birk mit seiner erfundenen „großen Sache“ und der Bewegung, die sie auslöst, gleichsam warnen will. Als ein solches Zeitdokument behält „Die große Sache“ eine außerordentliche Bedeutung. Aber auch in der Mahnung für die Gegenwart: wehret den Anfängen…



Kurzkritiken


     
anspruchsvoll, originell, nachhaltig, bereichernd, spannend, fesselnd
ein spannendes Gleichnis, von einem großen Erzähler vorgebracht - ein unverzichtbares Stück deutscher National-Literatur - das in diesem Jahr neu herausgegeben wird im Fischer Verlag - sehr verdienstvoll


Paten





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