Wer ist dieser Gatsby?
F. Scott Fitzgerald's Roman DER GROßE GATSBY hat mittlerweile beinahe neunzig Jahre auf dem Buckel und ist trotzdem kein bisschen gealtert. So etwas lässt sich nicht über viele Dinge dieses Alters sagen. Dabei mutet die Lektüre der nicht besonders umfangreichen Geschichte zunächst recht leicht an, oder leserfreundlich wie man heute sagen würde. Ein Eindruck der durchaus richtig erscheint. Man kann den GATSBY natürlich einfach zur bloßen Unterhaltung lesen, als sommerlichen Zeitvertreib. Damit würde man Fitzgerald's lockerem Stil sicher gerecht werden. Das ist ja gerade das schöne an solch zeitlosen Romanen, die immer wieder die Öffentlichkeit suchen, ihr Publikum finden und/oder in schöner Regelmäßigkeit verfilmt werden. Irgendetwas muss ja dran sein, an dieser Geschichte. Und das ist es selbstverständlich auch. Dafür muss man sich allerdings darauf einlassen, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Dinge erkennen, die nicht gesagt oder beschrieben werden, Dinge die sich aus dem Kontext ergeben. Mühelos gelingt dies bei GATSBY. Die Story könnte genauso gut in der heutigen Zeit spielen, ein aktueller Bestseller über eine Orientierungslose Generation sein. Ein Buch, welches die gnadenlose Trennlinie zwischen den Klassen zieht, die Schwierigkeiten deutlich macht, diese Linie zu überwinden, schlussendlich klarstellt, das derartiges nicht funktionieren kann. Die Barrieren sind zu groß, die Unterschiede sitzen zu tief. In einer Zeit, in der die Zwei-Klassen-Gesellschaft einer ähnlich auseinander klaffenden Schere gleicht wie in jenem Jahrzehnt, was sich nicht nur im Verhältnis von Nick Carraway zu seinen Verwandten, sondern ebenso durch die Wilson's und natürlich in der Titelfigur des Gatsby niederschlägt, braucht man kein Hellseher sein, um die Parallelen zu zeitgenössischen Konstellationen zu finden. Das sichert dem Werk eine Aktualität, die auch in neunzig Jahren ihre Entsprechung finden wird. Denn wenn eines sicher ist, dann das sich die Menschen nicht ändern werden und das es immer ein oben und ein unten geben wird. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Nick Carraway jedenfalls findet seinen Weg.